Nachruf: CeBit Ade

Jetzt ist es so weit. Die CeBIT, oder zuletzt CEBIT macht dicht. Die Deutsche Messegesellschaft nimmt mir die jährliche Entscheidung “Soll ich? Oder soll ich nicht?” ab. Es ist vielleicht besser so.

Aber warum Schreibe ich? Jetzt denkt der geneigte Leser “Ach der auch noch!” und allenthalben ist die Deutsche Presse ja voll mit Kommentaren zu dem Thema. Tatsächlich fühle ich mich genötigt ein bisschen was dazu zu schreiben, weil damit auch ein gar nicht mal unbedeutender Teil meines beruflichen Werdegangs zu Grabe getragen wird.

Wie viele andere meiner Generation, war ich schon als halbwüchsiger Schüler zu MesseZeit in Hannover, habe mich um C64 Zubehör geschaart, die Markteinführung erster erschwinglicher PCs mit verfolgt, um meinem Traum einen PC zu haben, Futter zu geben. Und ein oder zwei Jahre später mit einem PC von Zenith Datasystems mit sage und schreibe zwei Floppy- aber keinem Platten- Laufwerk meine Karriere zu starten (der Amiga kam erst viel Später als Konsolenersatz). Die erste Festplatte ein Jahr später hatte ganze 20MB.

15 Jahre (und einige Messebesuche) später, dauerte mein Jährlicher Ausflug nach Hannover im Schnitt vier Wochen. In wechselnden Besetzungen habe ich einige Jahre technische Projektleitung für IT- Standausstattung eines der ganz großen (nach wie vor im Markt aktiven) Technologie Anbieters gemacht – in der Spitze mit 2000 PC Arbeitsplätzen, verteilt auf 7 Hallen vor Ort. Wahrscheinlich zur Spitzenzeit der CeBit und wir kämpften mit den allenthalben genannten 800.000 Besuchern auf unsere ganz eigene Weise. Mein Auftraggeber machte es sich zur Angewohnheit das “coolste Messegadget” als Werbegeschenk aus zu hecken, dessen primäre Eigenschaft sein musste, dass es groß, gut sichtbar und eben gar nicht mehr ein zu packen wäre. Unvergessen ist an der Stelle das Jahr im Wettstreit mit Fuijtsu Siemens, die bedruckte Gießkannen verschenkt haben. Regelmäig gab es Tumulte am Stand, so dass die Messegesellschaft Auflagen zum Eingreifen machte. Und wir hatten gefühlt so viele Standbesucher, wie es heute Messebesucher insgesamt gibt.

Für die Aktiven, und die Besucher die sich nicht von der Security haben verscheuchen lassen, war es die goldene Zeit der Messeparties. Die Unterbringung in Hannover war geprägt von dem kurzen Weg von der Messe nach 23:00. Neuer- Markt Geld wurde gefühlt mit vollen Händen verprasst und die spannendsten Business to Business Kontakte wurden in Folge dessen nach 18:00 her gestellt. Die Kontakte von damals prägen meinen beruflichen Alltag noch heute. Das berühmte Messe- Ziel der “Abschlüsse” fand auch damals schon im inoffiziellen Teil statt. In Partylaune, wie ich sie seither kaum noch erlebt habe.

Unvergessen sind auch die Veranstaltungen nach der Weltausstellung. Wir hatten den Architekten des Deutschen Pavillons angeheuert und nicht mehr und nicht weniger als einen sensationellen Messeauftritt. Noch- Kanzler Gerhard Schröder betritt die Messehalle gleich morgens um 9:00 und trifft auf eben jenem Stand “unsere” eigens aus USA angereiste Vorstandsvorsitzende gleich als ersten Gesprächspartner – direkt vor meiner Bürotür. Schaulustige, Reporter, Security, noch mehr Security, ein paar Mitarbeiter … Ein Spektakel vom Feinsten! Im übrigen mit einigen ganz eigenen Anforderungen in meinem Aufgabenbereich – “Ich kann ihnen davon erzählen, aber dann müsste ich sie erschiessen!” heisst es an der Stelle im Film ganz gerne.

Wenn man heutzutage noch ein ähnliches Spektakel in viel viel kleiner, aber eben jener ganz ausgelassenen Stimmung eines völlig im Aufbruch befindlichen Marktes erleben möchte, dann empfehle ich ganz dringend, die New Energy World in Husum. Ganz anderer Markt, aber Startup- und Feierlaune vom Feinsten. Woanders durfte ich das schon lange nicht mehr erleben.

Dann kam in den frühen Nullerjahren der Umbruch. Einer nach dem anderen, orientierten sich die großen Anbieter um, investierten die erheblichen Messebudgets in ihre Hausmessen, in welchen sie ihre Kunden direkt und ohne häßliche Ablenkung durch den Mitbewerb. Mit dem abfließenden Budget schwand auch die Stimmung, die Feierlaune, die “Unterzeichungnsfreudigkeit”. Auch mein Auftraggeber entschied sich, in Zukunft sein Messebudget zielgerichteter ein zu setzen. Er leutete damit auch meine berufliche Umorientierung ein, auch wenn ich das seinerzeit so sicher noch nicht wahr genommen habe.

Die darauf folgenden Jahre verfolgte ich dann das CeBit geschäft aus der Ferne, wohl die interna weiter verfolgend um eventuell einen anderen Kunden zu gewinnen oder mein Geschäft an zu passen. Man wolle Business- Orientierter werden. Man wolle die Heimanwender irgendwie auf eine andere Veranstaltung verbiegen, um das Business nicht zu belasten. Ja stimmt, CeBit war super wahnsinnig anstrengend. Eine ruhigere Atmosphäre versprach entspanteres Geschäfte- Machen. Hieß es. Ich persönlich habe die Gelegenheit genutzt ein paar Jahre Pause zu machen und einmal nicht die wahnsinnig anstrengenden vier Wochen im Jahr zu haben. Ich habe mir vorläufig nicht mal einen Tag gegeben.

Dann war mein beruflicher Wandel abgeschlossen und ich bin als Kunde auf die CeBit. Und auch wenn ich ein Abklingen der Hochstimmung schon in meinem letzten aktiven Jahr deutlich gemerkt habe, ich war schockiert. Die Messe war tot. Einige Schlüsselstellen vollends verstopft und überlaufen, aber im großen und ganzen langweilig und tot. Meine Vorbereitung hielt sich in Grenzen und der Effekt “mir Anregungen und Denkanstöße” zu holen, ist völlig auf den langen Wegen verpufft. Ich habe keine neuen Eindrücke gewonnen. Schlapp und erschöpft war ich am Ende des Tages sicher, aber gelohnt hat es sich nicht.

Jetzt wird der geneigte Leser auch sagen “selbst Schuld, was fäht der Jogi auch unvorbereitet da hin!” … nicht ganz falsch. Aber wenn ich nur Dinge sehe die ich mir auch anderweitig ansehen kann, dann hab ich doch auch nichts gewonnen? Egal, die beiden darauf folgenden Jahre habe ich es mit Vorbereitung versucht und der Effekt war nahezu der selbe. Die langen Wege haben die wenigen hellen Momente aufgefressen. Die Termine haben die Wanderung zwischen den Hallen sogar noch verlängert. Die Gespräche waren auch nicht sooo ergiebig wie sie in einem anderen Umfeld gewesen wären. Und die wirklichen Highlights gab es gar nicht zu sehen, weil der Anbieter gar nicht vor Ort war, oder wenn doch sich diese trotzdem für seine Hausmesse auf gespaart hatte.

Die CeBit hatte ihre Seele verloren.

Ich bin dann die letzten Jahre auch nicht mehr hin.

Lieber auf Hausmessen.

Die Kommentare zur Wandlung und Neuausrichtung wegen Digitalisierung kann ich an der Stelle beinahe nur belächeln. Sicher hat die aktuelle Veränderung im Markt den Trend beschleunigt und die Messegesellschaft hat versucht sowohl dem inhaltlichen Twist zu folgen und doch auch wieder etwas Event mit rein zu bringen. Alleine das hat nicht gereicht.

Die Verlagerung der Inhalte auf Branchenveranstaltungen, ins Netz und weg von Warengeschäft zu Dienstleistungen und Cloud Angeboten sind sicher eine Herausforderung. Andererseits hätte man auch hier mit Darstellungsmöglichkeiten einen Gegenpart entwickeln können. Allerdings nicht über Nacht. Das hundertunderste Vortragsforum kann es eben nicht sein. Dem ganzen dann ein bisschen Jahrmarkt über zu stülpen reisst dann das Ruder nicht rum. Sicher war die CeBIT erfolgreich, als sie ein Event war. Das war sie jedoch aus sich heraus. Aus Attraktivität für Besucher und Aussteller. Aus der Marktsituation. Welchen Anteil Auflagen der Messegesellschaft daran hatten, die Events aus dem Messegelände heraus zu drängen dürfen sich gerne andere stellen. Und damit hat der Niedergang der Veranstaltung eben nicht letztes Jahr begonnen und auch nicht die drei Jahre davor.

Künstlich eine Stimmung herbei zu führen, die man zuvor vielleicht aus gut gemeinten Gründen torpediert hat, ist halt ein schwieriges Unterfangen. Und insofern ist die Entscheidung der Messegesellschaft sicher Konsequent, diesen Markt nun einigen Nischenanbietern mit Branchen- Events zu überlassen.

So viel jedenfalls meine 2ct.

Kyp. F.

 

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