Zankapfel Windenergie

Unlängst habe ich hier in der Nähe folgende Highlight aufgeschnappt: “Mich kotzt es an wenn, ich Nachts aufs Klo gehe, aus dem Fenster schaue und überall blinkt es rot.”

Aha – Die Energiewende darf nicht mal blinken. Ich persönlich finde das blinken schön – fehlt noch eine App mit der man Lauftexte auf die Windräder schicken kann 😉 Spaß bei Seite: Ich sehe das viel lieber als die Dampfsäule eines AKW Kühlturms oder das Rad eines Schaufelbaggers, der in drei Jahren dann mein Dorf weg baggert. Ich weiß nicht mehr ob mir was derartiges raus gerutscht ist, oder ob ich so perplex war, dass ich einfach mal meine Klappe gehalten habe.

Zweifellos gibt das Statement aber die Großwetterlage hier in der Region wieder. Die Stimmung kippt. Es gibt Fernsehreportagen die dokumentieren wie schlimm die “Verspargelung” des Hunsrück ist. Gruppen werden in Busladungen hier her gefahren – je nach Organisator – um zu demonstrieren wie furchtbar Windenergie on-shore ist oder wie toll das für die Gemeinden ist.

In Sozialen Netzwerken und der lokalen Presse wird gegen die Geld- geilen Lokalpolitiker gehetzt, als wären die Ausbaupläne nicht lange bekannt.  Die genehmigten 400 Windräder …

stehen seit langem fest nur hat sich da, als erst 100 standen, keiner ausgemalt wie das wohl aussehen könnte. Abstruseste Gerüchte über Rentabilität und Abbaurisiken werden dort genau so verteilt wie blanke Diffamierung.

STOPP!!! Genug – Ich lese die ganze Presse und langsam geht mir die undifferenzierte Argumentationsweise, die hier mittlerweile breiten Anklang findet ziemlich auf den Zeiger. Ich traue auch keinen Bürgerinitiativen, die ihren Slogan nicht richtig schreiben können.

Wir haben Beispiele in der Region wie Windräder sehr Umweltschonend schnell und einfach wieder zurück gebaut wurden. Vier Stück Anfang des Jahres hier hinterm Haus, keine 1000 Meter weg.

Jedem steht frei sich eine Windertrags- Karte beim deutschen Wetterdienst zu bestellen.  Den Unterlagen des Bundesverband Windenergie liegen diese Daten bei – wenn man sich für die Position des anderen interessiert, kann man die Unterlagen im Netz bestellen. Da sieht man auf dem Höhenkamm – der Wasserscheide respektable 6 m/s im Jahresmittel. Besser geht es südlich der Nordseeküste kaum. Wen es interessiert, der kann sich auf Tagungen schlau machen und dort lernen dass Windräder heute Anlaufgeschwindigkeiten von 2,4 m/s haben. Dass diese angeschoben werden können und noch früher mit laufen können, dass zumindest eine Schwarze Null bei vernünftiger Auswahl der Rotoren – Getriebe je nach Auslegung bei 4 m/s im Mittel zu erreichen ist – im Übrigen wohl zu unterscheiden von Kleinwindanlagen, die erstens meist schneller drehen müssen um Leistung zu bringen und zweitens auf Nabenhöhe meist 1 m/s an Wind einbüßen was dann ebenfalls in der Gesamtbilanz bisschen schwieriger wird. Das ist aber alles keine Raketen- Wissenschaft und mit Schulphysik zu verstehen. Alleine es scheint nicht ins Weltbild zu passen.

Und wenn die Sachargumente langsam ausgehen fängt man an zu diffamieren und von Goldenen Wasserhähnen der Bürgermeister und dem Raubbau an der Natur  zu schwadronieren. Im Übrigen die selben Leute, welche die Landflucht Reportage des SWR3 und das dort kolportierte Dörfer- Sterben mit einer 7.9 auf der nach oben offenen Betroffenheitsskala Anfang des Jahres kommentierten. Ja was ?

Ich versuche mal Auzudifferenzieren was dies für eine betroffene Verbandsgemeinde bedeutet:

 

In meinem Dorf und so weit ich das nachvollziehen kann in den Nachbardörfern ebenfalls, werden die Einnahmen intensiv dazu genutzt fundamental das Leben in kleinen Gemeinden auch für junge Familien oder alte Menschen lebenswert zu machen bzw. erhalten – die Menschen zu binden und mit Dingen zu versorgen, die für die meisten Stadt- Bewohner dann irgendwie doch selbstverständlich sind: Kindergartenplätze – auch Krippenplätze, einfacher Zugang zu medizinischer und sozialer Grund- Versorgung für alte Menschen, aufrechterhalten grundlegender Infrastrukturen. Die Kommentatoren, welche gerne auf Facebook posten, sollen sich einmal klar machen, dass für viele Menschen hier in der Region DSL gerade erst Einzug hält. Das nachdem die Breitbandinitiative der Bundesregierung noch immer solch krude Stilblüten treibt, als dass ein Telekommunikationsversorger den Gemeinden hier vorschlägt einen Ausbau für eine Trasse mit 70.000 EUR Zuschuss in Angriff zu nehmen. Welcher Arbeitnehmer kann den heute noch ohne Internet gescheit zurande kommen?

Alles in allem bleibe ich tatsächlich bei meiner Meinung, dass die Windenergie den Menschen in dieser Region ermöglicht nicht von gesellschaftlichen Trends abgehängt zu werden und auch auf den Dörfern ein einigermaßen zeitgemäßes Leben zu führen. Die Windenergie ist ein Segen. Dafür darf sie auch rot leuchten.

Spannend um nicht zu sagen völlig entgleitend wird die Diskussion tatsächlich bei den Gemeinden, welche jetzt auf ihr Recht auf Windenergie klagen. Dazu sollte man sich vor Augen führen, dass es einen Konsens gab aus landschaftlichen – auch touristischen  Gründen den Höhenrücken des Soonwald – bzw. die Landschaft südlich der B50 von Windrädern frei zu halten. Der Preis dafür war eine Solidargemeinschaft in welcher eine Umlage von den Gemeinden mit Windrädern auf die Gemeinden ohne Windräder erfolgen sollte. Diese haben auch schlechte Straßen, verwaisende Ortskerne, sanierungsbedürftige Kindergärten – You name it. Tatsache ist, dass in meinem Dunstkreis von zwei Verbandsgemeinden nur ein Dorf ausgescheert ist und damit das ganze Konstrukt zum Wanken gebracht hat. Dass andere Gemeinderäte dann zurück rudern, ist vielleicht sogar verständlich, da diese ja auch primär ihrem Dorf verpflichtet sind und Solidarität durch eine Gleichstellung aller definiert ist. Wenn manche schon wieder gleicher sind, wird es tatsächlich sehr schnell krude. Nachdem der Solidarpakt also nicht zum tragen kommt, warum sollen die Gemeinden im Süden hier verzichten – leer ausgehen? Entweder schonen wir die Landschaft gemeinsam für alle oder wir tun es nicht. Das Alles hat aber mit Geldgier wenig zu tun. Hier geht es um die Überlebensfähigkeit einer Region, die eine ihrer wenigen Ressourcen ausnahmsweise mal nutzen kann.

Last but not least der Raubbau am Wald. Viele Windräder werden im Wald aufgestellt um die Anwohner zu schonen. Gut, das ist natürlich mit den anwohnenden Rehen oder Dachsen so eine Sache. Andererseits wird jede Rodung protokolliert und die gefällten Bäume in einem Punktesystem bewertet. Diese Punkte müssen wieder angepflanzt und aufgeforstet werden. Und wenn ich eine alte Buche mit vielen Hundert Punkten umsäge muss ich eine Menge Apfelbäumchen pflanzen um dem gerecht zu werden. Die Anpflanzung erfolgt übrigens ebenfalls nach einem Punktesystem und typische Nutz- Bäume wie Fichten kommen da nicht so gut weg. Verfolgt man die Ausgleichsmaßnahmen ein wenig stellt man sehr schnell fest, dass diese durch die Windrad- Erbauer zu finanzierenden Maßnahmen systematisch dazu benutzt werden hier großflächig Erbsünden aus der Monokultur- Zeit zu beheben. Bachläufe, insbesondere Oberläufe die mit Nadelhölzern bepflanzt sind – der Killer für jeder Artenvielfalt – werden mit Erlen bepflanzt. Schonungen die seit den großen Windbrüchen noch immer vor sich hin vegetierten werden mit alten Sorten und Mischwald wieder bepflanzt, selbst im Ortsbereich finden Pflanzungen statt.

Jedem der Kritiker steht es hier frei sich bei entsprechenden Pflanzaktionen ebenfalls zu beteiligen. Mir ist noch keiner aufgefallen.

Natürlich ist das ein Eingriff in die Wälder, aber ganz ehrlich? Bei dem was auf dem Hunsrück noch an Monokulturen vorhanden ist, kann mir keiner sagen, diese wären schon immer der germanische Urwald gewesen – die Vorstellung der Hunsrück sei durch und durch eine Naturlandschaft ist schlicht und ergreifend Romantik und keine Realität. Und den Ökosystemen einen Schubser wieder in die richtige Richtung zu geben, kann hier keinesfalls schaden. Wie die Situation eigentlich ist, erklärt einem hier gerne jeder Revierförster sobald man ihn einmal fragt. Die Herrschaften können endlich Maßnahmen umsetzen die lange überfällig waren und sind in weiten Teilen froh darum.

Die Wälder und auch ihre tierischen Bewohner nehmen sich dann schon ihren Raum und ob unser Wild bisher so ungestört seines Daseins frönen konnte, das denke ich nicht. Die Tiere haben sich mit vielen Störungen arrangiert und die großen Störungen sind sicher genau das, groß, aber ich habe nicht den Eindruck als würden hier alle Nischen entfernt und nicht schnell neue Rückzugsräume angenommen. Ein Blick aus dem Fenster genügt hier zuweilen.

 

Alles in allem würde mich tatsächlich eine differenzierte Diskussion freuen. Die Nutzung der neuen Möglichkeiten, bei gleichzeitiger Schonung der Landschaft und einem tragfähigen Kompromiss für den ganzen Hunsrück – das war immer mein Credo und lag mir am Herzen. Auf Grund von vereinzelten Aktionen, alles was erreicht wurde einfach Grundsätzlich in den Dreck zu ziehen, dagegen sträubt sich in mir alles. Allerdings finde ich es auch unsagbar schade, dass auf Grund von egoistischen Einzelinteressen der Konsens mit Füssen getreten wurde und der Kompromiss zur freiwilligen Selbstbeschränkung und dem Erhalt beider Ziele- der Windenergie- Nutzung sowie der Schonung der Landschaft – nicht mehr haltbar erscheint – ggfs. gar nicht mehr verfolgt wird. Das ist schon ein Armutszeugnis und lässt eine zweifellos gute Sache in ausgesprochen schlechtem Licht da stehen und fördert nicht zuletzt die Kritiker.

Eigentlich kann man sich für die Akteure auf beiden Seiten der Gräben nur schämen.

k.y.p. F.

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