Corona und die Ministerpräsidenten

Seit ungefähr 9 Monaten verkneife ich mir auch etwas zu Corona bzw. Corona Politik zu schreiben. Wir erinnern uns, gerade einmal 23 Tage ist es her, dass die Ministerpräsidenten der Länder, mit Ausnahme von Markus Söder vielleicht, unsere Kanzlerin aufs vortrefflichste vorgeführt haben.

Heute dann das:

Das, meine lieben LeserInnen, schlägt dem Fass die Krone ins gesicht und meine Geduld ist am Ende. Ich habe in Mathe zu gut aufgepasst um das zu ertragen. Heute haben wir 590 Tote. Es sind also gerade drei Mittelstreckenflugzeuge in Deutschland abgestürzt. Gestern auch. Morgen wieder.

Die Toten von Heute sind die Infizierten von vor sechs Wochen – wenn man mal ganz grob davon ausgeht, dass Menschen zwei Wochen brauchen bis sie ihre Infektion bemerken. Die Woche davor sind sie schon infektiös – die Inkubationszeit liegt scheinbar bei einer Woche. Wenn man mal davon ausgeht, dass die meisten Toten nicht sofort sterben, sondern nachdem sie ins Krankenhaus kommen, dann vier Wochen intensivmedizinisch betreut werden bevor das traurige geschieht.

Man braucht eigentlich nur ein bisschen Schulmathematik um schon vor vier Wochen darauf zu kommen, dass wir noch vor Weihnachten sechshundert Tote am Tag zu beklagen haben. Das hat weder etwas mit vermeintlich “unpopulären” Virologen (die ich hoch achte und nicht um ihren Job beneide) noch mit Panikmache zu tun.

Jetzt also plötzlich, nachdem der weichgespülte, nicht wirklich konsequent umgesetzte Lockdown nicht substanzielle Wirkung zeigt, jetzt also doch einen richtigen tollen Lockdown. Aber bitte erst nach Weihnachten, einen echten Jahreswechsel-Lockdown.

Bitte?

Haben dann die Buddies alle ihr Weihnachtsbusiness eingefahren und dann plötzlich kann man den treusorgenden Landesvater raus hängen lassen? Ach … damit das Wahlvolk auch kein Unbill verspürt dürfen die noch Weihnachten feiern und DANN kommt der echte Jahreswechsel Lockdown.

Mit anderen Worten, wir lassen den vergleichsweise hohen Infektionsraten noch einmal drei Wochen Zeit sich fröhlich zu entwickeln. Welchen Teil von “Exponentialfunktion” hat hier wieder keiner verstanden?

Ein paar ganz einfache Überlegungen und “Servietten- Rechnungen”:

Den Preis für dieses Weihnachtsbusiness und die Feiertage werden die Sterblichkeitsraten Mitte Februar sein. Schaut man diese Zeitspanne einfach einmal zurück, dann sind in der ganzen Kalenderwoche 40 gerade einmal 78 Menschen verschieden. Wohlgemerkt in der ganzen Woche.

Ein kleines Rechenexempel:
KW 40-2020: 78/7 = 11,14 Sterbefälle am Tag
KW 50-2020: 590/11,14 = 52,96 mal so viele Sterbefälle pro Tag zehn Wochen später
KW 7-2021: 590*52,96 = 31.246 Sterbefälle am Tag in Zehn Wochen

Das ist die Sache mit dem exponentiellen Wachstum: Schreibt man dies so fort, würden also bei gleich bleibenden Maßnahmen in etwa Kalenderwoche 7-2021 ca. 31.250 Menschen pro Tag sterben! Wohlgemerkt unweigerlich! Zuzüglich der entsprechenden Kranken und Rekonvaleszenten. Weil die Maßnahmen, die man jetzt noch so schön in Feiertagslaune bis zur Kalenderwoche eins ruhen lässt erst ab Kalenderwoche sieben greifen werden. Erst danach würde sich etwas zum besseren ändern – und damit es keine Freude macht nehmen wir den X-Mas-Peak auch noch volles Brett mit.

Um das noch einmal greifbar zu machen. Jeden Tag stürzen also 156 Mittelstreckenflieger in Deutschland ab, oder alle zehn Minuten einer. Was das mit unserem Gedsundheitssystem anrichtet, will ich mir lieber nicht ausmalen. Und auch nicht mit unserer Wirtschaft, die wir gerade so grandios schonen.

Hätte man Weihnachten retten Wollen, wäre vor vier Wochen die Zeit gewesen einen harten Lockdown zu verhängen und sechs Wochen weiter (also heute plus noch zwei Wochen) hätte man rechtzeitig zum Weihnachten wieder mit Lockerungen, den Familien ein schönes und besinnliches Fest ermöglichen können. Aber da hat man ja mal den Mackes raushängen lassen und voll im Wahlkampfmodus dieser lästigen Kanzlerin endlich mal den Marsch geblasen, gezeigt wo der Hammer hängt.

Die oben Vorgenommene Rechnung mal als Kontrolle unter der Maßgabe man hätte sich sofort entschieden und würde sofort Wirksam werden – Den Referrenzzeitraum passe ich damit auf die angenommenen 6 Wochen an:
KW 42-2020: 220/7 = 31,42 Sterbefälle am Tag
KW 48-2020: 90/31,42 = 2,86 mal so viele Sterbefälle pro Tag 6 Wochen später
KW 1-2020: 90*2,86 = 257,8 Sterbefälle am Tag nach weiteren 6 Wochen

Also 258 prognostizierte Sterbefälle pro Tag nach strengen Sofortmaßnahmen beim Gipfel am 23.11. – Klar ist das hypothetisch, aber es ist ein plausiebles Szenarion und wenn man sich aktuelle Fallzahlen ansieht wäre das noch viel zu optimistisch, das Modell ist also eher als unterer Schranke zu sehen denn als realistisch. Ich will ja bei Schulmathematik bleiben – +/-/*// und ein Blick in den Kalender. Um es besser zu haben ist dann irgendwann doch auch mal der R-Wert interessant, der hier nur implizit über die betrachtete Zeit berücksichtigt wird und auf diesem Weg eher geglättet wird.

So oder so: Jeden Tag der hier gewartet wird, sind die Toten in ettlichen Wochen. Die Inzidenz von 50 leitet sich nicht aus der Infektiologie ab, sondern daraus bis zu welchen Infektionsraten unser Gesundheitssystem noch funktionieren kann – also auch das Zusammenspiel zwischen Gesundheitsämtern und Krankenhäusern. Beide sind aktuell auf direktem Weg in den roten Bereich und können dort jeden Tag ankommen. Wenn diese Häuser erst einmal überlastet sind, wird auch die Sterblichkeit nicht mehr so gut gemanagt werden können und es ist vermutlich kein allzu großes Genie erforderlich um abzuschätzen, dass die Lockdown Light Ergebnisse dagegen verpuffen.

Gleiche optimistische Rechnung für einen sofortigen Lockdown gestern. Referenz sind wieder die Zahlen von vor 6 Wochen.
KW 44-2020: 89 Sterbefälle am Donnerstag vor 6 Wochen
KW 50-2020: 590/89 = 6,63 mal so viele Sterbefälle pro Tag heute
KW 3-2020: 590*6,63 = 3912 Tote in sechs Wochen

Mit anderen Worten, das Rumgeeier underer Landesfürsten bis nach Weihnachten macht etwa den Faktor acht an Toten und Leid aus – basierend auf dieser eher Laienhaften Abschätzung, oder aber 27.334 Opfer pro Tag. Jeden Tag! Mit nur genäherter Interpretation von R und ohne Berücksichtigung des Weihnachts-“Peaks” und der bis dahin um Faktoren überlasteten Krankenhäuser.

Egal wie es kommt – es wird auf jeden Fall erst einmal noch schlimm. Friendly reminder: Das sind nur die Verstorbenen. Das sind nicht diejenigen die akut erkrankt sind oder in Rekonvaleszenz befindlich. Was eine solche Belastung auch für die viel geschonte Wirtschaft- welche ja gerade häufig als Grund bemühz wird, darf sich jeder gerne einmal ausmalen. Die Einzigen die jubeln dürften die Erdmöbelschreiner sein.

Das alles im Hinterkopf erreichen mich also die Binsenweisheiten unserer Landesfürsten. … Entschuldigung: Das ist das dämlichste und dumpfeste an Klientelpolitik das ich jemals habe erfahren dürfen und der Förderalismus unserers Landes zeigt sich von seiner hässlichsten Seite. Gerade der Kanzlerkandidat hat sich hier in epischer Breite disqualifiziert, und die meisten seiner Kollegen stehen ihm in Nichts nach.

Vielleicht sollten Politiker einen einfachen Mathetest machen, bevor sie sich auf eine Landesliste schreiben lassen dürfen. Den Seerosen Test: Ein Teich wächst mit Seerosen zu, die jeden Tag die doppelte Fläche bedecken. Eines Tages ist der Teich ganz zu gewachsen. Vor wie vielen Tagen war er nur halb zugewachsen? Und wer das nicht richtig beantwortet, darf in Zukunft gerade mal die Wasserflaschen auf füllen.

Klar ist ein harter Lockdown unglaublich anstrengend und unangenehm und hat in der zweiten Runde dramatische wirtschaftliche Auswirkungen. Das ist mir klar. Aber ist den Menschen, die das für unpassend halten auch klar, was es bedeutet wenn in Deutschland über Wochen alle zehn Minuten ein Mittelklasse Jet abstürzen würde? Und das ist auch nicht extrem gezeichnet, eher im Gegenteil, weil im Falle von Corona auch noch jeder Passagier zuvor bis an die Grenzen der Belastbarkeit Intensivmedizinisch gepflegt wurde.

Alles in allem kann man nur noch hoffen, dass sich die Situation jetzt so schnell und dramatisch verschlechtert, dass auch die härtesten Betonköpfe kapieren, dass gerade jeder Tag zählt.

Bis dahin verharre ich in weitgehend selbst gewählter Isolation und Kyp. F.

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