Es gibt solche Dinge die man irgendwann einmal getan haben muss. Baum Pflanzen – hab ich schon paarmal gemacht. Buch schreiben – ist möglicherweise gerade in Arbeit. usw. Ihr kennt das.
Auf mir unerfindliche Weise gehört für mich als IT-Schaffenden irgendwie “einmal einen eigenen PC bauen” dazu. From scratch sozusagen, nichts von der Stange. Und auch wenn ich meine Werkzeuge in all den Jahren teils schwer modifiziert habe, über Jahre immer aufgerüstet, umgerüstet, verschrottet, egal ob Workstation oder Server, ein komplett eigener Entwurf war nie dabei. Bis jetzt:
Da ist er! Mein erster Eigenbau.
Jetzt wäre ich ja nicht der, der ich bin, wenn es dabei nicht um irgendwelche Ziele ginge. Und da bei Hubraum nix mehr zählt als noch mehr Hubraum, soll der PC erst mal eine riesige Menge RUMMS unter der (hier noch geöffneten Rauchglas-) Motorhaube haben. Zum Anderen, wird man ja irgendwie älter und geräuschempfindlicher und all so etwas, also sollte er auch leise sein. Zwei Ziele also die in gediegenem Widerspruch zueinander stehen.
Andererseits ist der Markt für Wohnzimmer- taugliche Hardware ja nicht eben eine Neuerscheinung und man kann dieses Thema schon eine Weile treiben und auch übertreiben. Und last but not least, wollte ich auch nicht unser Haus in Zahlung geben und hatte mir ein maximales Budget von 2000,- EUR gesetzt, das, soviel darf ich vorab sagen, deutlich unterschritten wurde. Die Rahmenbedingungen sind also irgendwie klar.
Wie dem auch sei, irgendwie muss man sich ja dem Thema nähern und ein Thema, das ich ebenfalls schon sehr lange mit mir herum trage sind die Gehäuse von InWin. Jetzt ist ja nicht unbedingt ein Gehäuse ausschlaggebend für einen Built, aber da dieses Projekt für mich ein bisschen etwas besonderes ist, habe ich mich dazu durchgerungen das Pferd von hinten aufzuzäumen. Dieser Hersteller sehr durchdachter Design- Gehäuse und insbesondere ihre H- bzw. D-Frames gefallen mir schon sehr lange sehr gut. Eines der Highlights war der Mini-ITX D-Frame der ersten Generation, der glücklicherweise noch hier und da zu beschaffen ist und genau deswegen habe ich versucht einen zu beschaffen. Dank dem offenen Design verspricht es auch auf jeden Fall gute Lüftung.
Damit waren die Freiheitsgerade bei der Motherboard- Wahl auch schon beim Teufel und der Formfaktor auf Mini ITX festgelegt. Das macht den zweiten Schritt – normalerweise vielleicht der Erste – die Wahl der CPU auch nicht eben einfacher. Nachdem AMD Intel ja ordentlich aufgemischt hat und ich mich ohnehin schon eine Weile mit dem Thema befasse, war recht schnell klar, dass es wohl auch im Desktop Bereich mal ein AMD Experiment wird.
Ein konsequentes Threadripper– Design sprengt ja aktuell noch das angestrebte Budget und so einen Gang zurück geschaltet landet man zwangsläufig bei etwas, das irgendwie AM4 Sockel basiert ist. Aktuell genug um Spaß zu machen, abgehangen genug um im Budget zu bleiben. Auf der Basis also erst mal nach einem Mini- ITX board gesucht das AM4 unterstützt. Da wird die Auswahl schon sehr schnell sehr übersichtlich. Legt man noch einige andere Parameter an wie M.2 Slots – schliesslich plant man ja einen PC one drehende Platten – und PCI express 4.0 – man möchte die M.2 NVMe SSDs ja auch so schnell als möglich ansprechen, wird die Auswahl sehr schnell noch viel übersichtlicher. Google hilft einem dann noch zügig aus den verbliebenen Chipsets das X570 I als dasjenige zu identifizieren, das die vorher genannten Kriterien nach einschlägigem Dafürhalten auch am besten liefert.
Meiner Kenntnis nach gibt es da noch genau zwei Boards, wovon ich mich für das Günstigere, das Aorus X 570 I PRO WIFI von Gigabyte entschieden habe. Und damit folgen die nächsten Entscheidungen auf den Fuß. CPU ist dann wohl irgendein AMD RYZEN. Wie immer bei Sizing klappert man die Liste der verfügbaren CPUs auf und ab und wägt ab Anzahl Kerne – nicht zu wenige – Stromverbrauch – es soll ja leise bleiben – Single Thread Performance – man will ja auch mal zocken … Und so fort. Der Erfahrene Architekt weiß, dass auch dies wieder gegeneinander laufende Ziele sind und man irgendeine Art Kompromiss wird finden müssen. Mein Sweetspot lag dann bei Ryzen 7 3800X mit 8 Kernen, Multithreadded 3.9 GHz Basistakt im Peak bei 4.5 GHz und das bei vertretbaren 105 Watt Leistungsaufname. Damit kann man leben und mit knapp über 300,- EUR ist das auch eine Menge “Bang for the Buck”.
Damit wären die drei kritischen Komponenten Qualifiziert. Dann braucht es natürlich erst mal schmückendes Beiwerk. Eine Intel 660P NVMe SSD als Boot Disk ist zwar immernoch PCI express 3.0 aber immerhin nimmt sie 4 PCI Lanes. An der Stelle teile ich übrigens nicht die Meinung diverser Blogger, dass dies überbewertet ist, mit aktuellen Grafikkarten und mehreren M.2 Slots kommt man wieder schnell dahin, dass man die Lanes auslasten kann, und dann am Ende vielleicht sogar zu wenige hat. Hier ist definitiv Luft nach oben. Auf der Habenseite gibt es die Abwesenheit von Kabelsalat und beweglichen Teilen. Die Dinger werden weniger warm und gehen nach aktuellen Schätzungen langsam weniger kaputt.
Memory ist beinahe ein Selbstläufer. Das System liefert zwei Channel DDR4 3200 und genau die werden gefütter. Will man Rumms, immer alle Memory Channel besetzen, denn das steigert den Hauptspeicher- Durchsatz, erlaubt mehr parallele DMA Zugriffe und so fort. Unspektakulärer Weise landete ich bei zwei 16GB Modulen von G.Skill – ich hätte die paar mehr EUR für RGB drauf legen sollen. Bald ist ja Nikolaus.
Grafikkarte war dann auch ein bisschen ein Thema. Auch wenn das Gehäuse recht offen aussieht, ist der Slot für die Steuerung der Photonenbeschleuniger recht kurz. Nvidia Fanboy wie ich bin, auch will ich ab und zu CUDA KI Sachen machen, ist die Wahl einer RTX Karte recht zwangsläufig. Beim Abklopfen der Komfortzone bin ich dann bei einer RTX 2070 Super als Chipset gelandet. Die Wahl kurzer Karten mit ausreichend Lüftung ist dann wieder eher übersichtlich und so kam dieses Brett dann auch von ZOTAC, die prompt eine Bauform hatten die in Länge und Dicke in das Mini-ITX Schiff passt. Das wurde dann auch in Sachen Külung dann prompt auch noch eng genug.
Fehlen zum Glück noch Strom und Kalte Luft. Bei der Stromversorgung wollte ich es dann zugegebenermaßen auch gut, aber übersichtlich halten. Etwas überdimensioniert, damit die Kühlung leichter fällt und im Grunde war ein Platinum Netzteil von beQuiet einfach die erste Wahl, genauer ein Straight Power 11 mit 650 Watt. Sicher gibt es Alternativen, aber die Dinger sind modular, robust und machen was sie sollen.
Bei der Külung war es dann nicht ganz so offensichtlich. Offen lassen? Auf Luft vertrauen? Komplett Wasser- kühlen? Ich kann mich noch immer nicht so ganz mit dem Thema Wasser und Strom beieinander anfreunden. Andererseits bringt dieser D-Frame ein 120mm x 240mm Montagerahmen mit und ich habe mich dann doch zu einem AIO Wasserkühler durch gerungen. Die gängigen Platzhirsche kratzten dann schon ein bisschen am Budget … und am Ende konnte mich dann doch der LIQMAX III von Enermax überzeugen, nicht zuletzt auch mit dem Versprechen von wenigstens ein bisschen RGB in der Kiste.
Als dann die Teile eintrudelten, fand ich die Lüfter von Ernermax doch nicht so vertrauenerweckend, und habe sie dann kurzerhand gegen die aus dem Netzwerk Silence Projekt vertraute Familie aus dem Hause Noctua ausgetauscht. Mit dem NF-S12A ULN gibt es da doch ein hervorragendes Produkt das Erstens Ultra Low Noise macht und wir erinnern uns, dass ich genau das vor hatte und Zweitens, der auch nur so flach aufbaut, dass er in den für den Wasserkühler vorgesehenen Rahmen passt. Unglücklicherweise eignen sich die Silikonflansche nicht für die Montage mit dem Wasserkühler, aber ansonsten funktionierte der Austausch Problemlos.
Der eigentliche Aufbau war dann tatsächlich eher unspektakulär, wenn auch bei aktuellen Temperaturen eher Schweiß- treibend. Wirlich nervig war, dass eine der beiden Schrauben des Chipset- Kühlers auf dem Motherbord wohl einen Tropfen zu viel Kleber ab gekriegt hat. Da der darunter liegende M.2 Slot aber nicht unerheblich wichtig ist, wurde hier ziemlich gekämpft. Nachdem die Verzweiflung und auch die Gewalt dann schon unpassende Form angenommen hat, habe ich das Ding dann doch raus gebohrt. Vielleicht hätte ich es besser zurückgeschickt, aber tatsächlich saß die Schraube so fest, dass in kürzester Zeit der Kopf hin war und ich ohnehin meine Zweifel hatte, hier auf Garantie etwas bewegen zu können.
Anyway: Don’t do that at home!
Die AMD konformen Ohren an die Wasserpumpe des AIO Kühlers waren von den Verschraubungen her etwas zäh und auch die Bohrungen für den AM4 Sockel waren wenig intuitiv – gingen aber letztlich doch Flüssig von der Hand. Völlig wieder Erwarten hat dann aber die Montage des AIO Radiators mit den ausgetauschten Lüftern auf Anhieb gut geklappt.
Tatsächlich blieb das Gehäuse so leer und sah so traurig aus, dass ich noch zwei zwei Terrabyte Seagate Firecuda 2,5″ Solid State Hybrid Festplatten eingebaut habe um den Luftraum ein wenig zu füllen. So hat das System mittlerweile auch geschmeidige 6 Terrabyte Massenspeicher, so dass ich auch mal schmerzfrei die ein oder ander Photobibliothek ablegen und batchmäßig bearbeiten kann.
Entgegen allen üblichen Ratschlägen habe ich alle Komponenten gleich montiert. Ich war mir nicht sicher ob das eine gute Idee war und auch waren einige Montageschritte direkt am Platz eher anstrengend bis ungemütlich mühsam – oder für Menschen mit viel kleineren Fingern. Nichts desto trotz hat sich die gründliche Vorarbeit bewährt und das System kam beim ersten Booten an den Start und hat vom Fleck weg sehr viel Freude bereitet.
Der Mensch der ich bin, gleich einige Benchmarks: Cinebench kommt im fliegenden Start auf 4496 Punkte und auch die Standard Prüfung mit dem Blender CPU BMW ist in 2.51 Minuten gezeichnet. Beides wie ich finde durchaus sehr bemerkenswert, da ich auch eine XEON basierte HP Z4 (mit Turbo Drive = M.2 NVMe SSD) mein eigen nenne, die bei deutlich höherem Kapitaleinsatz in beiden Disziplinen gerade mal die Hälfte an Punkten auf das Scorebord bringt.
Während den Benchmarks dreht keiner der Lüfzer schneller als 900 Umdrehungen und die Systemgeräusche sind jenseits der Wahnehmungsschwelle. Allem Nachkarten zum Trotz habe ich, wenn auch mit viel Zeit beim Shopping und ein bisschen Verhandeln, das Budget von 2.000,- EUR eingehalten. Insofern war mein erster Built wirklich ein voller Erfolg und ich muss nicht mehr mit dem nagenden Gefühl ins Bett gehen, diese Pflichtübung eines ITlers nicht absolviert zu haben.
Alles in allem hat es so viel Laune gemacht, dass ich mir gaaaaaaanz vielleicht vorstellen könnte …. ach lassen wir das.
In diesem Sinne, kyp. F.