Erkenntnis liegt außerhalb der Comfort-Zone

Am  Samstag habe ich Hans Kammerlander im Vortrag gehört. Eines der Zitate, das mir nicht mehr aus dem Kopf gehen wird und das im Zuge auch des Berichts um einige tödliche Verluste unter seinen Freunden und Weg- Gefährten fiel, war:

Wir haben kein Mitleid verdient, es zwingt uns ja keiner da rauf zu gehen.

Und doch macht er es, wie viele andere Extrembergsteiger, immer wieder. Warum macht er das? An einer anderen Stelle, es geht um eine Free Solo Besteigung an den drei Zinnen in Südtirol, echauffiert sich ein älterer Herr hinter mir “Der spielt mit seinem Leben” … und ich war versucht mich auch zu echauffieren “Nein das macht er nicht, er weiss was er kann, worauf er sich einlässt und er geht ein kalkuliertes Risiko ein!”.

Kammerlander hat, nur um zwei Highlights zu nennen die mich sehr beeindrucken z.B. 1991 das Enchainmenet der Nordwände von Ortler und großer Zinne bewerkstelligt, wobei er mit dem Fahrrad die 247 Kilometer zwischen den beiden Klertterrouten zurückgelegt hat. 1992 hat er dann die vier Grate des Matterhorn in 24 Stunden bestiegen. Zu allen 8000endern felht ihm noch der Manaslu. Er hat die Seven Second Summits bestritten und ist von Nanga Parbat und dem Mount Everest mit Skiern abggefahren, sein unbestritten einzigartiger Stil.

Er steigt leicht und bereitet sicht akribisch auf diese Spitzenleistungen vor. Mit anderen Worten, er spielt eben nicht mit seinem Leben. Sondern er beschliesst seine Komfortzone zu verlassen und Dinge professionell in Angriff zu nehmen, die noch nie ein Mensch vor ihm gemeistert hat. Er ist ein Forscher, ein Grenzgänger, ein Pionier und Vordenker. Eine Einsicht, das dem Herrn in der Reihe hinter mir vermutlich fremd ist.

Bleibt die Frage des “Warum ?”. Weil es geht? Weil einem die Berge etwas zurück geben? Wegen der Suche nach Selbstbestätigung? Weil es erdet? Weil einem die Konfrontation mit den Elementen und der gnadenlosen Natur, die eigene Perspektive zurecht rückt? Unmissverständlich beantwortet wurde diese Frage in seinem Vortrag so nicht.

Daher liegt es mir auch extrem fern, mich nur Ansatzweise mit einem Bergsteiger vom Schlage Kammerlanders zu vergleichen. Aber der Reiz dessen, was er tut, den kann ich sehr gut nach vollziehen. Jeder kann sich Ziele stecken und dafür kämpfen diese zu erreichen. Im Großen. Im Kleinen.

Wir haben uns Anfang des Jahres auch anstecken lassen. Meine Frau hat mich überzeugt “es noch einmal wissen zu wollen?” und unser Ziel war es die nördlichste Etappe des Kungsleden zu wandern. Des Weges der Könige in Schwedisch Lappland. Von den 440 Kilometern zwischen Abisko und Hemavan haben wir immerhin das erste Viertel bewältigt. In der Arktis, 2 Grad nördlich des Polarkreises, die meiste Zeit oberhalb der Baumgrenze und damit per definition im Hochgebirge. Trotz “Rücken” und “Knie”. Wir haben uns sportlich und inhaltlich vorbereitet, mit Klima und Geographie auseinander gesetzt und fest gestellt, dass das Risiko auch für uns Alltagsverwöhnte Schreibtischtäter vertretbar ist. Angekommen in Vakkotavare blieb uns nur fest zu stellen, dass wir es tatsächlich geschafft haben.

Es war eine Plackerei. Man kann das machen, muss das aber nicht. Aber wenn man es nicht macht, erlebt man eben auch nicht die Erhabenheit arktischen Hochgebirges. Das unvermittelte ausgesetzt sein, den Elementen, der Natur. Die unfassbar schönen Aussichten und Ausblicke. Die Zufriedenheit, das Tagesziel erreicht zu haben. Die Gewissheit, mit wie wenig man auskommen kann und was man alles noch zu leisten in der Lage ist und dass die eigenen Grenzen doch ganz woanders liegen, als man das eben noch gedacht hat. Hat man diese Grenzen erreicht? Verschoben? Lagen sie schon immer woanders, als man das eigentlich gedacht hat? Fakt ist, sie sind bei Weitem nicht dort wo man sie immer vermutet hat. Und eine Ahnung davon, wo sie vielleicht liegen mögen, erhält man nur wenn man sich ins Extreme begibt.

Erkenntnis liegt außerhalb der Comfort- Zone!

Im Gegensatz zu Kammerlander kehren wir dann wieder an den Schreibtisch zurück und verbringen unsere Tage damit Menschen zu coachen und tolle IT zu machen. Mit zurück kommt eben auch das Wissen, dass Grenzen nicht unumstößlich sind und dass man Risiken abwägen, eingehen und sich eben auch jenseits der Grenzen weiter entwickeln kann.

Und das gilt neben dem Sportlichen auch im Beruflichen, Geschäftlichen, Privaten, … in allen Aspekten unseres Daseins. Das findet ein Extrembergsteiger am Berg. Und gerade deswegen, werden sie so gerne als Referenten für Management- Seminare gebucht.

Die schönen Landschaftsfotos, gibts obendrauf.

Kyp. F.

P.S. Für mich persönlich wird wohl “das zurecht rücken der eigenen Perspektive” der Grund sein in die Arktis zurück zu kehren.

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