Die Macht der Marktes – 2021 reloaded

Gerade gibt es zwei wunderschöne Beispiele für unsere schöne neue Welt. Beide mehr oder weniger stark getrieben aus dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten dem wir in mehrerlei Hinsicht ja nach zu eifern suchen. Auch hierzulande werden die Schreie nach weniger Regierung, weniger Regulierung und viel weniger Steuern immer lauter und ich muss zugeben, dass ein gehöriger Teil meines Verstandes zuweilen befürchtet, Deutschland würde sich eines Tages tot, oder zumindest um jede Konkurrenzfähigkeit regulieren.

Andererseits hat das Geschrei um die Kandidatur eines Herrn Merz durchaus gezeigt, dass hier dass hier der Angloamerikanische Turbokapitalismus mehr als nur ein paar vereinzelte Freunde hat. Gerade in der Politik finden sich genug Menschen, welche die Nähe des großen Geldes suchen und gerne kritiklos deren Eigennützige Argumentation nach plappern.

Für diese Fraktion lohnt sich gerade ein Blick über den großen Teich und die Retrospektive auf zwei Ereignisse, die uns 2021 schon beschert hat.

Zum einen der Katastrophale Wintereinbruch in Texas. Genau, das Texas, das sich nicht schämt immer wieder ultrarechts auf zu fallen, Unabhängigkeit proklamiert und überhaupt jede Bundes- Initiative zu torpedieren. Jenes Texas das seine Stromnetze von den national übergreifenden Netzen getrennt hat um die Stromversorgung weiter deregulieren und die Privatisierung der Grundversorgung weiter treiben zu können. Jenes Texas, deren Senatoren am vehementesten gehen die Freigabe von Bundesmitteln agitiert haben um bei den Waldbränden hin Californien zu helfen.

Genau in diesem Texas reichen knapp 30 Zentimeter Schnee, um die Zivilgesellschaft an den Rand der Implosion zu bringen, da Millionen von Bürgern ohne Strom, ohne Heizung und auch ohne Wasser da stehen. Nicht genug, da die Menschen ihre Haupthähne nicht gesperrt haben, ihre Leitungen nicht entleert haben, hat das Durchfrieren der nicht isolierten Häuser – wieso auch, Strom ist so billig da kann man ja immer heizen und kühlen wie man es braucht – dazu geführt dass massenhaft Leitungen platzen und die Pappdecken den durchbrechenden Wassermassen kaum etwas entgegen zu setzen hatten.

Bitte nicht falsch verstehen – ich habe einen Altbau, in dem die Heizung zuweilen unzuverlässig war und ich hatte auch schon einen Wasserschaden – und ich habe mit jedem sehr viel Mitleid, dem das geschieht. Allerdings haben die deregulierten Märkte keinen Anreiz gesetzt hier auch nur ein bisschen Sorgfalt walten zu lassen und nicht nur das, sie haben Preismodelle hervorgebracht die bei der ständigen Suche nach dem nächsten Superdeal den Preis des Stroms an den Großhandelspreis gekoppelt haben. Schlecht wenn plötzlich mäßig gewartete Kraftwerke implodieren, der Verbrauch nach oben schnellt und kein Strom von anderen Orten zugeleitet werden kann.

Das führt jetzt zu Stromrechnungen von 16.000,-USD in 5 Tagen elektrisch heizen. Und plötzlich ist das Geschrei groß! Und plötzlich soll die Bundesregierung – der man die Steuern nicht gegönnt hat, nicht einmal die indirekten durch die Vernetzung lokaler Firmen mit national aufgestellten, die Zeche zahlen – für das Kleingedruckte der supergünstigen Deals gerade stehen, die trotz allem kräftig Geld in die Kassen einiger lokaler Besserverdiener gespült hat.

Washington soll die Miesen aus den Stromrechnungen tragen, die marode Infrastruktur heilen und dann auch noch die nicht nachhaltige Bauweise, welche sich in den USA durchaus immer weiter ausbreitet auch noch durch Kostenübernahme weiter fördern.

Vielleicht ist es an der Zeit auch hier sich einmal Gedanken zu machen ob die Eigenverantwortung die man bei jedem Vorschlag der aus Washington kommt, einfordert, auch mal walten zu lassen. Oder eben doch – sich helfen lassen und hinterher an einem gemeinsamen amerikanischen Traum arbeiten und eben nicht allen anderen Dinge ab zu verlangen, die man selbst nicht gewillt ist zu leisten.

Das kann einem schon komisch vor kommen.

Im selben Kielwasser schwimmt auch die Geschichte rund um Gamestop daher. Ein Unternehmen das auf lokale Niederlassungen für den Vertrieb von Computerspielen gesetzt hat. Ein Unternehmen das auch den seit Jahren anhaltenden Trend zum Online- Vertrieb über Plattformen wie Steam verpennt hat. Ein Unternehmen das auch dem zunehmenden Trend der Publisher und Gerätehersteller die Gamer in ihre eigenen Online Universen (X-Box Live, Sony Play Store, Origin, Uplay, …) hinein zu pressen lange ignoriert hat. Ein Unternehmen also, das die Bewegungen in seinem ureigenen Markt nach Kräften ausgeblendet hat und in keiner Weise auf die disruptiven Kräfte in seiner eigenen Domäne reagiert hat.

Nicht dass es unerwartet wäre, dass Unternehmen die sich unternehmerisch so derart dilletantisch aufstellen und ein totes Pony reiten, irgendwann die Kraft des Marktes zu spüren bekommen und für ihr nicht nachhaltiges Handeln die Quittung bekommen sollten; doch etwas ganz anderes ist es, wenn Milliarden schwere Hedgefonds, die sich üblicherweise in Steueroasen ansiedeln oder an Standorten mit extra schwachen regulatorischen Anforderungen, um möglichst ungestört mit allen Tricks und meist ohne einen nachhaltigen Beitrag in den sie nährenden Volkswirtschaften zu leisten, ihre eigenen Konten und die der wenigen Menschen die sich solch exklusive Dienste erschwingen können, stetig und überproportional füllen.

Es ist ein volkswirtschaftliches Naturgesetz, dass Geld eben nicht im Nichts entsteht, sondern dass es, wenn es in signifikanten Mengen an einer Stelle ohne realen Gegenwert auftaucht, eben auch woanders verschwunden ist.

Genau solche Hedgefonds haben sich also Gamestop vor genommen und mit einer schon lange durchaus in Verruf geratenen Methode, den “Aktienleerverkäufen”, auf dessen Pleite gewettet. Jetzt ist eine solche Pleite keine irgendwie auftretende Naturgewalt, sondern hängt häufig an durchaus realen Dingen wie Umsatz und Tagesgeschäft. Bei Waren- getriebenen Geschäften hängt das zuweilen von Kreditlinien zur Zwischenfinanzierung der eigenen Waren ab, genau dem also was Gamestop nach wie vor als Geschäft betreibt.

Solche Kreditlinien oder auch die Konditionen dazu hängen dabei eben wie bei jedem anderen Menschen auch an Sicherheiten und diese sind unter anderem der eigene Aktienkurs. Wettet also ein Hedgefonds mit nicht untermauerten Aktien- Transaktionen – Leerverkäufen – auf einen fallenden Kurs, erschwert er dem “Opfer” Unternehmen also die Finanzierung seines Tagesgeschäfts, beeinträchtigt dessen Möglichkeit Deckungsbeiträge zu erwirtschaften und reduziert also weiter die Profitabilität, steigert die Notwendigkeit für Kredite zu dann noch ungünstigeren Konditionen auf zu nehmen und so weiter. So oder so ähnlich ein Teufelskreis. Ist das Unternehmen dann am Boden, kann der Hedgefonds die zuvor verkauften Aktien – die gar nicht in seinem Besitz waren, zu deutlich günstigeren Konditionen zurück kaufen und streicht die Differenz als Gewinn ein.

Dass die Opfer- Unternehmen danach vielleicht schließen müssen, im Falle von Gamestop vielleicht 15.000 Menschen ihren Job verlieren werden, all das interessiert die selbstgekrönten Könige der Welt wenig.

Jetzt ist diese Praxis nicht ganz ohne Risiko, weswegen auch jeder normale Mensch der sich ein bisschen in Wertpapieren versucht, mittlerweile in fünf Abstufungen unterschreiben muss, dass er zumindest Ansatzweise von seiner Bank darüber informiert wurde, dass das alles nicht einfach nur in einem magischen Plus enden Kann.

Der Haken bei so riskanten Wetten wie der auf den Niedergang Gamestops ist, dass die verkauften Aktien geliefert werden müssen. Und da man sie nicht hatte, dann muss man sie auf jeden Fall kaufen … und wenn der Kurs steigt, dann eben auch für mehr Geld als man dafür eingenommen hat. Wie unangenehm.

Was also insbesondere die Herren welche bei Gamestop massiv eingestiegen waren, kalt erwischte, ist, dass auf Reddit einige Foren mit Kleinanlegern, die sich unter anderem auch aus emotionalen Gründen Gamestop durchaus gewogen fühlten – Gamer Jugenerinnerungen und so – über diese Gefahr austauschten und mit ihrem sauer Ersparten und in kleinen Tranchen in Gamestop einstiegen. Die Konsequenz ist, der Aktien Kurs steigt. Und da der Druck die Leerverkäufe zu bedienen immer mehr steigt – da sind Termine und Fristen hinterlegt, auf die man noch einmal extra wetten kann – steigt auch der Kurs immer rasanter und die Lücke für die Leerverkäufe immer unangenehmer. Genau das ist in den letzten Wochen passiert und der Gamestop Aktie passiert und sie schoss von einem bei zehn USD dümpelnden Kurs in die Region von 300 USD.

Einer der Beteiligten Hedgefonds, zweistellig Milliardenschwer, büßte die Hälfte seines Anlegerkapitals ein und lebt nur noch dank Finanzspritzen von gleichgearteten Unternehmen, die in ihm beteiligt waren und ihr Investment nicht ganz “den Bach runter gehen” sehen wollen.

So weit so unterhaltsam und ein wenig mag der Gedanke verfangen, dass dies irgendwie die Rache des kleinen Mannes ist – der ja normalerweise sein Geld an der Börse zu verlieren hat, damit es in den Konten der Großanleger auftauchen kann. Man könnte darüber Schmunzeln und es vielleicht sogar gut sein lassen – als Lektion dafür, dass die Risiken da sind und man sich überlegen sollte ob man wirklich Leerverkaufen möchte oder Optionsscheine handeln oder so.

Aber weit gefehlt! De gleichen Herren, denen der angloamerikanische Turbokapitalismus nicht unreguliert genug sein kann, schreien jetzt genau danach. Also keine Regeln bitte nur für sie aber die Kleinanleger bitte an die Kette legen bis zum geht nicht mehr, damit sie weiterhin nur unwissend ihr Geld an die Hedgefonds verlieren dürfen.

Etwa an der Stelle treten mir dann schon die Schweißperlen auf die Stirn. Wie bitte? also das ganz große Geld dann bitte auch per Legislative im dicken Rohr in die Tasche einiger weniger. Die gleichen Methoden für das gemeine Anleger- Volk gehören dann schon verboten?

So weit ich mich erinnere funktioniert Gesellschaft noch immer auf der Basis, dass die Mehrheit ihrer Mitglieder sich auf gemeinsame Regeln und Normen einigen und das allen mehr oder weniger zum gleichen Wohl aller. Dass eine Randgruppe die das schon sehr zu ihren Gunsten auslegt, jetzt auch noch der Meinung ist, der Rest der Menschen würde ihnen eine Versicherung für ihr Tun schulden ist schon ein starkes Stück.

Vielleicht schafft diese Eskapade und auch eine ähnliche rund um Nokia endlich den notwendigen Drive, die lange Überfälligen Transaktionssteuern in der Politik wieder auf die Agenda zu heben. Für Kleinanleger haben diese wenig Einfluss, da diese meist nicht so viele unterschiedliche Transaktionen durchführen. Aber die institutionellen Großanleger, die mit computergestütztem Hochfrequenzhandel auch bei kleinen Kursschwankungen mit ihren “Pferdewetten” aberwitzige Beträge realisieren können – für diese würde einige ihrer gemeingefährlichsten Werkzeuge durchaus so unattraktiv, dass sie sich zweimal überlegen müssten, ob es sich lohnt von einer volkswirtschaftlich interessanten Marktkapitalisierung für Unternehmen, als welche Aktien und Börsen bei ihrer Erfindung ursprünglich gedacht waren, ab zu rücken und “Spielchen zu spielen”.

In diesem Sinne, KyP. F.

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