Ich habe mich ja lange zum Thema NSA vergleichsweise zurückgehalten und mir dennoch viele Gedanken gemacht, im stillen Kämmerlein sozusagen. Eigentlich ist ja auch klar, dass ich hinsichtlich Datenschutz, Bürgerrechten und deren Würdigung durch jegliche Politik eine eindeutige Meinung habe.
Dabei halte ich es sehr mit Herrn Augstein, der in seinem bemerkenswerten und differenzierten SPON Kommentar diverse Themen auf den Punkt bringt. Wasser auf selbige Mühle bringt dann der Münchhausen- Check zum Thema Deutscher Relevanz im transatlantischen Verhältnis, so dass ich jetzt doch einem ein paar mir wichtige Thesen zusammen führen möchte.
Augenfällig ist die tatsächlich gigantische Diskrepanz zwischen Stammtischparolen und …
den tatsächlichen Geschehnissen, sowie der nahezu demagogische Umgang mit Überwachungsfragen im Innenverhältnis. Die offensichtlich unangemessene Sammelwut in UK und USA sind dabei nur die eine Seite der Medaille.
Auch wenn ich mich wiederhole, eine vollständige Erfassung der menschlichen Lebenswirklichkeit durch staatliche Datensammelbecken ist weit mehr als nur eine Kavaliers- Sünde und mitnichten mit den freiwillig preisgegebenen Daten in kommerziellen Portalen wie Facebook, Google, Xing oder LinkedIn vergleichbar. Sicher darf man deren Möglichkeiten zur Meta-Analyse durchaus schon kritisch sehen (siehe Selbstversuche mit Immersion des MIT Media Lab oder auch bei Wolfram Research) aber hier gibt es wenigstens die Möglichkeit eine Löschung zu erwirken, nach geltendem Datenschutzrecht oder aber auch die Relevanz durch gezieltes Verfälschen zu senken.
Im staatlichen Fall reden wir davon, dass zu den öffentlichen sozialen Aspekten noch die finanziellen (Swift Abkommen), diejenigen hinsichtlich Mobilität (wer sagt eigentlich dass die TollCollect Server nicht kompromittiert sind), Kommunikationsdaten (Verbindungsprotokolle der Telekoms) und eigentlich jeder greifbare Datenpool nicht nur abgeglichen werden sondern auf unbestimmte Zeit zwischengelagert werden.
Die Vernetzung all dieser Daten mit Big Data Mechanismen, nichts anderes ist X-Keyscore, schaft Profile eines jeden Individuums die an Präzision vermutlich das empfinden über das reale Leben übertreffen, da sie nicht einmal mehr die Möglichkeit beinhalten sich selbst oder andere zu belügen. Mit anderen Worten weiß der NSA vermutlich mehr über jeden EU Bürger als dieser selber bewusst wahr nehmen kann.
Diese Quelle an Informationen möchte sich der deutsche Staatsapparat natürlich nicht nehmen und dass die einschlägigen Dreibuchstaben- Organisationen miteinander bestens vernetzt sind, zeigt der Aufklärungs- Zirkus ebenso, wie die aktuellen Verhandlungen um Geheimdienst- Abkommen die schlimmstenfalls zu einer Six-Eyes Lösung führen und damit dürfte für Unser Kabinett wieder alles im Lot sein.
Die Argumentationen “wer nichts zu verbergen hat, hat nichts zu fürchten” greifen dabei ins leere, denn sind die Daten erst einmal gesammelt, wecken sie Begehrlichkeiten wie unser Innenminister unlängst einmal mehr, diesmal im Zuge der Mautdaten- Erfassung, unter Beweis stellte. Was der gemeine Stammtischbruder gerne vergisst, ist dass wenig zu seinem Nutzen mit diesen Daten angefangen wird. In den seltensten Fällen wird er davor geschützt geprellt, gephisht oder verletzt zu werden. Aber die Begehrlichkeiten führen zu Nutzung. Lobbyinteressen kommen ins Spiel. Die immensen Aufwände wollen finanziert werden. Daten werden verkauft, mit dem Resultat dass Menschen keine Kredite oder Versicherungen mehr bekommen, keine Mietwohnung, kein Auto oder Schlimmeres. Intransparentes Scoring ist in den Branchen ja heute schon eher die Regel, denn die Ausnahme. Unser Staat verkauft schon heute Melde- oder Geo-Daten.
Schlimmstenfalls kommt es zu einem 1933 und ein irgendwie gearteter Despot erhält die Absolute Mehrheit nur um darauf zu kommen, dass alle Menschen mit grünen Ansichten, Blutgruppe A oder wer weiß was, in der Menschheit nichts verloren hätten.
Das sei nicht Möglich? Genau hier greift meiner Meinung nach das aktuelle transatlantische Zerwürfnis. Obama wurde als unsere Erlösung von George W. gefeiert. Demokraten statt Republikaner. Dass Letztere sich von einer Tea-Party Bewegung haben highijacken lassen, erlaubte es dem demokratischen Lager sich ebenfalls weit nach rechts zu bewegen. Die voreilige Liebe, zu einem demokratischen Präsidenten manifestiert die Sehnsucht nach einer Demokratisierung und Lieberalisierung der amerikanischen hegemonial- Attitüden.
Diese Liebe wurde schwer enttäuscht und daher kommt eben auch die aktuelle Verbitterung. Dass das demokratische Lager einen Rechtsruck erlebt, der George W. wie einen Waisenknaben aussehen lässt hat schlicht keiner für möglich gehalten. Das in einem Land, das als Sinnbild westlicher Freiheitsvorstellung gilt und mit dem nach wie vor viele Träume einer besseren Welt verknüpft sind. Auch ich liebe Amerika, seine Weiten, die vielen herzlichen Menschen und die weiten Naturlandschaften, die Ideale der Pioniere und der daraus resultierende Geist. Auch ich bin enttäuscht, denn über all dem Wundervollen liegt der Schatten des Polizeistaats.
Dabei ist sogar unerheblich ob Obama als Galionsfigur davon wusste, was sein Apparat treibt. Hat er es gewusst ist es schlimm, dass eine solche “hidden Agenda” von einem beliebten Landesvater verfolgt wird. Hat er es nicht gewusst, ist dies nur noch schlimmer, denn der Apparat hat sich in diesem Fall verselbstständigt und ein Polizeistaat etabliert sich parallel zu allen demokratischen Prozessen scheinbar legitimiert durch anti- terror Aktionismus der Jahrtausendwende.
Rewind: Wir haben Datenpools gesammelt und eine politische Kaste bewegt sich in nur drei Jahren weit jenseits dessen was man sich vorstellt! Es passiert. Jeden Tag. Und der einfache Bürger wird in die Glaskugel gebeamt. Wieso soll Deutschland besser sein?
Setzt man die enge Zusammenarbeit anglo-amerikanischer Unternehmen mit Diensten voraus, ist es nur logisch dass die Gegenfinanzierung gigantischer Rechenzentrums-Kapazitäten auch ökonomischen Interessen den Weg bereitet und hier Informationen wieder abverkauft werden. Die Wirtschaftskriese produziert im Amerikanischen Staatshaushalt geradezu die Notwendigkeit und wer sagt nicht, dass morgen schon auch dieser Damm bricht. Alleine das neue Rechenzentrum in Utah ist doppelt so groß, wie das derzeit größte kommerzielle Rechenzentrum in der Bundesrepublik.
Den vagen Behauptungen der Chefs, dass Schlimmes verhindert wurde mag ich da nicht folgen. Die genaue Hinterfragung hat bisher jede blumige Zahl revidiert. Demgegenüber stehen eine Menge Dinge die nicht verhindert wurden. Dem Gegenüber stehen auch die Verkehrstoten, jedes Jahr und doch wird Autofahren nicht verboten. Dem Gegenüber stehen die Toten durch Alkohol und Nikotin und es wird nicht verboten. Die Liste ist lange. Und im Spiegel wurde eine Statistik zitiert – ich finde den Artikel gerade leider nicht wieder -, dass in den USA seit 2001 mehr Menschen durch herunterfallende Fernseher ums leben gekommen sind, denn durch Attentate. HERUNTERFALLENDE FERNSEHER !!!
Erstaunlich ist, dass die USA es riskiert ihr Verhältnis zu Deutschland so sehr zu belasten. Die deutsche Rolle in der EU und auch im Wertegefüge der USA sollten dies eigentlich nicht zulassen. Auch wenn sich der US-Fokus gen Süden und Osten verschiebt, hat Deutschland im Reich der Mitte und in Russland ein Standing, das sich die USA erst noch erarbeiten müssen. Zahlen des oben zitierten Münchhausen- Checks sprechen eine deutliche Sprache. Vor dem Hintergrund wäre es wünschenswert, wenn unsere Regierung das Rückrat besitzen würde, mit Edward Snowden einen Kronzeugen unter ihre Fittiche zu nehmen und eine vorbehaltlose Aufklärung der Causa Abhörskandal den Weg zu bereiten.
Der Schutz der enttäuschten Liebe kann als Grund zur Verweigerung nicht ausreichen. Die USA müssten sich immer die Frage gefallen lassen wie so sie das transatlantische Verhältnis so sehr belastet haben. Die Belastung durch ein Asyl für ein Wisthleblower wäre bestenfalls ein kleines Gegengewicht und würde zumindest von Rückrat und ernsthaftem Aufklärungswillen zeugen. Alleine widerspricht dies vermutlich der Bundesregierung eigenen Interessen, eine eigene Bürgerglaskugel zu erhalten.
Mein Bruder konfrontierte mich unlängst damit, dass wir in unserer Kindheit auf dem Oktoberfest nur knapp einem Anschlag entgangen sind und dass er kein Anschlagsopfer sein wollte. Dieses Ereignis wird gerne vergessen und doch gab es auch auf deutschem Boden schon vor 33 Jahren Bombenterror. Wenn meine Eltern ihren Oktoberfest- Besuch eine Woche nach hinten verlegt hätten oder die Bombenleger ihren Kalender eine Woche früher aufgeschlagen hätten, hätte Zeit und Ort wohl gestimmt. Ein beklemmender Gedanke der mich in all der Anti- Terror Rethorik sehr oft bewegt hat.
Will ich um dem zu entgehen in einem Polizeistaat leben? Nein, die Repressalien braucht kein Mensch! Denn um diese eine Gefahr zu vermeiden gebe ich mein selbstbestimmtes Leben und jedes Gefühl der Privatheit auf. Das kann nicht sein. Dafür sind keine Revolutionen ausgefochten worden. Bürgerliche Freiheit ist ein hohes Gut und Grundlage unseres Wohlstandes. Wie kann man das blind gefährden. Ich verzichte lieber auf Fernseher, als auf das, was mein bürgerliches Leben mir an Freiheit lässt 😉
Und doch möchten das die meisten Deutschen derzeit nicht sehen und geben lieber den enttäuschten Liebenden. Das ist beschämend.
kyp.f.