Immer wieder habe ich die Aufgabe anderen Menschen IT zu erklären. Menschen die damit meist nicht so bewandert sind. Und da häufig in einschlägigen Publikationen auf ganzseitigen Anzeigen, die zuweilen fälschlischerweise als redaktionelle Beiträge markiert sind, die ebenso einschlägigen Clouds als die Zukunft und die Innovation schlechthin verkauft werden, sehe ich mich getrieben, das einmal auf den Umgang mit des Deutschen liebstem Kind zu übersetzen.
Sagen wir mal wir fahren einen mittelprächtigen Menschenbeschleuniger aus Untertürkheim oder Zuffenhausen und sind zufriedener langjähriger markentreuer Kunde. Das Wägelchen hat einen ordentlichen Batzen gekostet und man denkt sich – “Ach sieben Jahre soll er noch halten, die Qualität ist ja entsprechend und außerdem ist er ja Scheckheftgepflegt und ich besuche nur die Vertrageswerkstatt und überhaupt fahre ich ja gar nicht so viel.”
Ebenda befindet man sich jetzt beim nächsten turnusmäßigen Inspektionstermin und der freudestrahlende Werkstattmeister verkündet einem Stolz, dass die Inspektion jetzt nichts mehr kostet. Man freut sich riesig, ungefähr bis zu der Stelle an der ein Statement folgender Art fällt. “Ab jetzt zahlen sie jeden Monat einfach X Euro und der Service ist immer erledigt.” Nach kurzem innehalten, behendem Zücken des Taschenrechners, stellt man fest dass das nur ein bisschen mehr als die monatliche Umlage des Anschaffungspreises bzw. Verteilung der Abschreibung des Wägelchens auf fünf Jahre zuzüglich der Inspektionen für knappe fünf Erdumrundungen ist.
“Momentmal! Wieso sollte ich das tun?”
entweicht es dem leicht irritierten Wagenlenker und Kraftfahrzeugbesitzer. Und der umsichtige und vor allen Dingen auf derlei abwegige Reaktionen geschulte Mitarbeiter der Werkstatt antwortet:
“Ja, weil wir sonst ab nächstes Jahr gar keine Wartung mehr machen!”
“Aber ich habe den Wagen doch schon käuflich erworben!”
“Deswegen haben wir den Restwert schon ihrem hypothetischen Service Konto gut geschrieben!”
Am Ende denkt man sich vielleicht, dass es irgendwie auf eine rote Null hinaus läuft und stimmt dem ganzen Thema einfach zu. Man erhofft sich ansonsten keinen Stress mehr mit eventuellen Wartungen zu haben und irgendwie ist dieser Service Gedanke ja auch erst mal ganz charmant. Die Idee, den Wagen eigentlich bis zur bitteren Neige zu fahren – sagen wir mal vierzehn Jahre – und die genannten Erdumrundungen eher in der dreifachen Zeit ab zu spulen kratzt noch zwei Wochen am Rande des Bewusstseins, gibt aber auch nach einigen Nächten Ruhe.
Bis zur nächsten Inspektion.
Bei der Abholung, erwartet einen ein nigelnagelneues und auf hochglanz gebürstetes Automobil gehobener Ausstattung.
“Hui !” sagt man sich – “bei dem Service Preis? Ein beachtlicher Mehrwehrt!”
“Das kann man so nicht ganz sagen,” erklärt einem der eloquente Servicemitarbeiter, “die monatliche Servicepauschale ist ein klein wenig angehoben, aber sehen sie her, dafür hat die Sitzheizung jetzt auch sieben Einstellungen!”
Alles in allem scheint einem der Mehrwert die paar läppischen Kröten wert. Der monatliche Fixbetrag hat sich ohnehin schon etabliert. Der Gedanke an die ursprünglich geplante Nutzungsdauer und Laufleistung des vorherigen Automobils schon fast wie weg gefegt und man freut sich über die Serviceorientierung des Anbieters. Der Werkstattmeister hat ja jetzt auch Servicemanager auf der Visitenkarte stehen.
Nochmal ein knappes Jahr geht ins Land und bei der nächsten Inspektion kommt eine Nachzahlungsaufforderung während der Rückgabe auf den Tisch. Knappe 20% der jährlichen Service Gebühr zuzüglich. Nach kurzem lautstarkem Disput wird man diskret aber deutlich auf die eMail hingewiesen, die vor einem halben Jahr in dem Glauben es sei Spam in den Mülleimer verschoben wurde, in der darauf hingewiesen wurde, dass ab Datum 1.2.3 nur noch den (leider 27% teureren) Kraftstoff der Marke Tausendrumms verwendet werden darf um die Qualität zu gewährleisten, welche der geneigte Hersteller mit seinem Premiumservice verspricht und dass unter anderen Umständen auch die günstigen Servicepreise nicht zu halten seien. Da die Telemetrie keine Änderung des Tankverhaltens gemeldet hat, nimmt man eine missbräuchliche Nutzung des Überlassenen Servicegegenstandes an und für die gestiegenen Instandhaltungsaufwände müsste man nun die Kompensation erbringen damit die Beeinträchtigungen des minderwertigen Sprits aus dem Kraftfahrzeug rausgedampft werden können.
Zähneknirschend und nach kurzer aber schmerzvoller Rechtsberatung zahlt man den Abschlag um im Abgang wird man noch einmal darauf hingewiesen, dass ebenfalls ab jetzt nur noch die Reifen von EinsArolltprimarund in der PlusPlus Version verwendet werden dürfen, da einem sonst eine Wiederholung dieser Nachverhandlungserfahrung blühen könnte. Die gute Nachricht ist, dass die Räder im Servicepaket noch einmal mit einem Nachlass von 15% eingerechnet werden können. Dass die fraglichen Pneus etwa das dreifache der Räder kosten, auf welchen man die vorherigen dreissig Jahre gut und zuverlässig durch Europa rollte, will als Argument nicht so recht verfangen.
Ein Jahr später folgt eine Episode mit Motoröl.
Irgendwie fogt auch etwas mit Scheibenwischwasser.
Dann war eine Situation rund um Wischblätter.
Und irgendwie kam dann noch ein Thema, das hatte mit Bremsflüssigkeit zu tun.
Die Servicepauschale hat sich zwischenzeitlich und nahezu unbemerkt verdoppelt aber man fährt ja nur aufs Vortrefflichste und irgendwie macht diese Premiumbehandlung ja auch Spaß.
Dann muss man aus irgendeinem unerfindlichen Grund nach Spanien und irgendwie siebenundvierzig Zentimeter hinter der Grenze bei Le Perthus geht der Motor aus und der Bolide bleibt leicht in der mediterranen Briese wiegend am Strassenrand stehen und gibt kein Geräusch mehr von sich. Ein etwas nervöser Anruf an der Servicehotline und nach Durchgabe der Vertragsnummer, Geburtsdatum, Blutgruppe, Kontostand der Schwiegermutter zum 1.1.1987 erklärt einem die studentische Hilfskraft im Callcenter, dass man nur das Mitteleuropa- Paket im Vertrag gebucht hatte und dass sich völlig natürlich der Wagen bei verlassen des Vertragsgebietes abschaltet und durch den nationalen Service nach Upgrade des Vertrages wieder aktiviert werden kann, selbstverständlich ohne die bei einem Upgrade üblichen Nachlässe, da man sich ja schon wieder – sie erinnern sich an das Tanken – vertragswidrig verhalten hat. Dazu wird noch eine Service Anschlussgebühr fällig, aber da die vertragswidrige Nutzung ja nur 500 Meter waren hält diese sich beinahe in Grenzen. Das Telefon schaltet sich wegen überschreitung irgendwelcher Lärmpegelüberschreitungen kurzerhand ab und nach erneutem Anruf, einer wohlwollenden Verbindung mit dem Manager on Duty hat man sich so weit verständigt, dass nach ausgiebiger Belastung der Kreditkarte, die Reise fortgesetzt werden kann.
Nach der Rückkehr nach Hause findet man dann einen in freundlichen Farben auf hochglänzendem Papier gedruckten Flyer im Briefkasten, welcher einem mitteilt, dass der geschätzte Servicepartner beschlossen hat große Teile des europäischen Straßennetzes zu erwerben, das ebenfalls nach den ausgesucht hohen Ansprüchen an die hauseigene Qualität aufbereitet wurde und dass nach dem soeben per Funk erfolgten Update der KfZ Software ein Verlassen dieser Routen jetzt undmöglich ist und die Steuerungsautomatik einen unversehens davon abhält überhaupt eine andere Route ein zu schlagen. Das angebundene Straßennetz kann online begutachtet werden, Netzerweiterungswünsche werden gerne unter foo(at)bar entgegen genommen und überhaupt kann auf den des Befahrens unwürdigen nicht erworbenen Straßen, die premium Fortbewegungserfahrung, welche in den letzten Jahren gemeinsam so hart erarbeitet worden ist, in keiner Weise gewährleistet werden und widerspricht ganz grundsätzlich den Werten des Fortbewegungsserviceanbieters.
Eine kurze Evaluierung des Streckennetzes ergibt, dass von den wirklich regelmäßig angefahrenen Zielen es nur für Oma Elfriede in Harsewinkel sehr schlecht aussieht – da muss man dann ab Rheda- Wiedenbrück den Bus nehmen.
Die Idee, einem das alles viel zu bunt vor kommt und man eigentlich viel lieber einen eigenen Wagen, mit dem man auf Rädern eigener Wahl zu Zielen eigener Wahl mit dem günstigen Sprit des Treibstoffdiscounters die Straße runter, erwerben möchte, hatte man schon vor einem halben Jahr. Jedoch hat der letzte Anbieter der Kraftfahrzeuge einfach nur veräußert hat vor sieben Monaten pleite gemacht.
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Wenn man heutzutage also Angebote kriegt, käuflich erworbene Lizenzen in Mietmodelle zu überführen und beim nächsten Software Update erfährt, dass einige der tief in die eigenen Arbeitsabläufe verwobenen Module ab sofort nur noch auf Servern des Herstellers angeboten werden, die einen zur Verlagerung von Workloads in die Rechenzentren des Anbieters verlagern, die aber nicht vollumfänglich gesichert werden können und Zusatzlösungen erfordern oder auch mit den eigenen Prozessen inkompatibel sind …. dann ist das nicht hipp und agil, sondern folgt einer Strategie und Roadmap und ist hochgradig fragwürdig. Die Beteuerung, dass es sich nur um einige wenige neue Funktionen handelt, macht dies auf keine Weise besser. Wie lange das kartellrechtlich bestand haben wird, wird sich noch zeigen, aber vermutlich ist der Punkt an dem diese Dinge kritisch hinterfragt werden noch eine Weile nach dem “point of no return”.
Tatsächlich ist man bei den Anwendungsaspekten von IT strategien durchaus gut beraten mal weiter als fünf Jahre in die Glaskugel zu sehen. Bei aller Unschärfe die das heutzutage zwangsläufig mit sich bringt, ist das nichts desto trotz keine verlorene Zeit sondern Klug, da man sich mit möglichen Szenarien beschäftigt hat und erste Ideen entwickelt, welche im Verlauf der Zeit dann immer noch reifen können. Exxon hat nicht umsonst in den 70er und 80er Jahren Forschung zum Klimawandel betrieben. Huch, es hat ja alles gestimmt, aber ich möchte wetten den Boni in den letzten vierzig Jahren war das nicht abträglich.
Dass der IT Konsum in den Unternehmen etwas ist, dessen langfristig strategische Bedeutung ausschliesslich den Herstellern überlassen wird, das hat etwas von einer Volksabstimmung der Gänse für Weihnachten.
Wenn mich also jemand nach meiner Cloudstrategie fragt, sage ich “Gerne, zuerst machen wir die Cloud Exit Strategie und wenn diese geklärt ist, können wir auch über den Weg hinein reden!”.
Das ist vorrausschauend und weise.
Wenn ich dann wiederum Verlautbarungen einschlägiger Automobilanbieter gleich welcher Coleur – sei es ein Elektro Pionier nordamerikanischer Provenienz oder auch der mitteleutopäische Platzhirsch – beim Auto der Zukunft über Mobilitätskonzepte beziehungsweise das Ende des klassischen Automobils philosophieren höre, dann wird mir dezent mulmig.
In diesem Sinne – kyp. F.