Unlängst warf mir meine Frau Samstags Abends – beide noch irgendwie im Büro sitzend – kurz vor zehn den lapidaren Kommentar “In der Spätvorstellung kommt Les Mans 66” über den Bildschirm. Zwei Dinge geschahen: Erstens, knappe fünfzehn Minuten später, saßen wir im Kino. Und Zweitens, ich sah den für mich persönlich spektakulärsten Film seit langem.
Irgendwie hat sich der von mir nur am Rande wahr genommene Streifen angeschlichen und mich völlig überrollt. Ob man Autos mag oder nicht, ob man Autorennen mag oder nicht, ob man mit Les Mans – Grand Tourismo – Ford und Ferrari etwas anfangen kann oder nicht – das alles spielt keine Rolle. Der Film ist ein Meisterwerk und ein wahres Muss was die aktuelle Kinosaison angeht und hat nicht mehr und nicht weniger das Zeug zu einem absoluten Klassiker. So viel vorweg.
Es geht um die wahre Geschichte von Ken Miles und Carroll Shelby, die 1966 zweifellos in Les Mans Renngeschichte geschrieben haben.
Ken Miles war seinerzeit eines jener bis heute raren Ausnahmetalente, die sowhol am Steuer als auch in der Werkstatt auf unbegreifliche Weise die Messdaten ihres Popometer in Schrauben, Verbrennungsprozesse und Fahrwerksabstimmungen übersetzen konnten. Carroll Shelby war bis zu seinem Tod 2012 so etwas wie der Gottvater der Fahrzeugtuner, der irgendwie mit Witz, Ideen, Talent und eine Menge Gespür dafür was geht und was nicht, exotische Autos auf die Strasse gebracht hat. Spätestens mit der AC Cobra hat er sich dabei sein eigenes Denkmal gesetzt.
Beide hatten den Traum in Les Mans – dem damals größten Rennzirkus der Welt – anzutreten und es natürlich allen zu zeigen.
Shelby war lange Zeit selbst aktiver Rennfahrer, hielt ettlicher Rekorde, auf verschiedensten Marken und Strecken, fuhr in den Fünfzigern Formel Eins und gewann auf der Höhe seiner Karriere als bis dahin einziger Amerikaner 1959 im Team mit Roy Salvadori die 24 Stunden von Les Mans. Über die Ziellinie brachte sie ein Aston Martin DB1. Und ich würde die Situation so einschätzen, dass er zu dieser Zeit ein inniges Verhältnis zur britischen Marke hatte. Die Diagnose eines Herzfehlers setzte dieser Karriere ein jähes Ende und in etwa zu diesem Zeitpunkt Anfang der 60er setzt der Film ein.
Das Ende kann man ja nicht wirklich spoilen, weil vielleicht jeder der sich nur ein bisschen für Motorsport interessiert weiss, dass Ford mit dem GT40 am Ende vier Jahre lang in Frankreich die Konkurrenz dominierte. Der Weg dahin ist vielleicht etwas nebulöser.
Shelby war Anfang der Sechziger auf der Suche nach Sponsoren und Investoren in sein Sportwagengeschäft für welches die Rennen durchaus potente Werbung waren. Miles versuchte als britischer Auswanderer sein Glück damit MG ins südliche Kalifornien zu bringen. Das Eine lief besser, das Andere schlechter und grundsätzlich kosteten die daran beteiligten Sportwagen einiges an Geld.
Gleichzeitig lief es für den Autohersteller Ford nicht ausgesprochen gut. Insbesondere der Sprung nach Europa lief ausgesprochen unrund und die Absatzzahlen waren desaströs. Um das ab zu stellen hatte die Marketingabteilung die ausgesprochen pfiffige Idee, ein Podiumsplatz beim legendärsten Rennen seiner Zeit, würde hier den notwendigen Markenglanz bringen. Henry Ford II wurde von der Notwendigkeit überzeugt und ein erster Versuch eine Partnerschaft mit Ferrari ein zu gehen, scheiterte auf ehrenrührige Weise.
Ferrari fuhr seinerzeit auf Jahre der Konkurrenz nach belieben davon und auch wenn etwas Cash sicher gut für die Rennwagenschmiede war, hatte man hier den notwendigen Hebel gefunden um in der Familie Agnelli einen Sponsor im italienischen Automobil Adel zu finden. Unter anderem heißt der Film deswegen auch im amerikanischen Original “Ford versus Ferrari“.
Bei Ford löste dies eher trotzige Reaktionen aus und man wand sich an Shelby, auf Grund der Tatsache dass er der einzige bekannte Amerikaner mit Les Mans Qualitäten war. Der Weg der Rennsportingenieure zu Shelby war ohnehin vergleichsweise kurz, da Ford auch da schon zu Shelbys Lieferanten gehörte und unter anderem den V8 Motor der AC Cobra lieferte. Ken Miles in der amerikanischen Rennfahrer Szene auf Shelbys Radar wurde von ihm als Fahrer durchgesetzt, weil er sich von ihm die detaillierten Rückmeldungen versprach um mit den Ford Ingenieuren in kürzester Zeit – die Rede war von 9 Monaten – einen Les Man fähigen Sportwagen auf die Beine zu stellen. Eben jenen GT40 – 40 auf Grund des Reglements, das die Höhe des Fahrzeugs auf 40 Zoll begrenzt.
Die ersten Versuche waren vielversprechend und zeigten das enorme Potential des Wagens, der zum ersten Mal bei den 1000 km des Nürburgring antrat – eine Episode die im Film ausgelassen wird. Jedoch gab es Themen bei der Standfestigkeit des Fahrwerks, des Motors und der Bremsanlage die auch bis zum Start 1965 in Les Mans nicht ausgeräumt werden konnten.
Das Resultat war blamabel und hätte beinahe zum Abbruch des ganzen Projektes geführt, jedoch konnte Henry Ford II von Shelby überzeugt werden, dass Konzernquerelen und Mikromanagement die substanziellen Unterstützungen in den kleinen Rennstall torpediert hatten. Ein Jahr später liefern Shelby und Miles mit einem spektakulären Sieg.
Der Film endet mit dem tödlichen Unfall von Ken Miles im Spätsommer des gleichen Jahres.
Inwieweit die Querelen im Film authentisch sind oder dramatisch interpretiert wurden, kann ich nicht sagen – da sich hier wenig belastbare Quellen finden und nicht unbedingt alle Autobiografien hier weniger geglättet sind. Sicher ist jedoch, dass die Ereignisse in Realität sicher nicht weniger dramatisch waren, als im Kino. Jedoch schuf die Zusammenarbeit im Les Mans Projekt eine Partnerschaft zwischen Carroll Shelby und Ford, die bis zu dessen Ende an hielt und im Süden Californiens zahllose handveredelte Ford Boliden entstehen ließ.
Bis zuletzt hat Carroll Shelby auf dem Motor jedes Wages, der seine Werkstatt verließ mitsamt seinem Team, ihre Signaturen hinterlassen und wenn ich die Wahl hätte – einen Shelby Mustang würde ich mir gleich in die Garage stellen.
In diesem Sinne nicht nur ein ausgesprochen Characterstarkes Biopic über Ken Miles und Carroll Shelby, sondern ein bisschen auch über Ford und ganz besonders auch über den GT40, eine Ikone seiner Zeit.
Aus meiner Sicht toppt dieser Film alles was im letzten Jahr ins Kino gekommen ist um längen. In diesem Sinne, eine absolute Empfehlung, ein must see. Kyp. F.