Heute tickert auf dem Heise News- Ticker dieser Kommentar zum Locky Virus vorbei.
Mit Verlaub, ich kann es nicht mehr hören/lesen und ich muss den Kommentar kommentieren. Schwachsinn. Was verleitet den Autor zu dem Irrglauben, dass Linux kein probates Ziel für Viren und Trojaner Frameworks und Ransomware wäre, wenn alleine der Markt, ja die Zielgruppe groß genug wäre? Haben Linux User keine Fileshares? Machen Linux User automatisch Backups mit sauberen Medienbrüchen?
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Ich halte mich tatsächlich nach wie vor für einen Linux Anwender der ersten Stunde und ich kann mich noch daran erinnern, wie ich meine ersten Slackware Distributionen auf ganzen drei 3,5″ Floppies nach Hause getragen habe – in der Uni mit rawrite unter SUN OS quasi von Hand auf die Medien geschrieben. Ich habe Linux viele Jahre die Stange gehalten und breche auch heute nach wie vor eine Lanze für quasi jedes UNIX artige open Source Betriebssystem und da spielt für mich tatsächlich auch anderes als Linux alleine eine maßgebliche Rolle.
Aber ich käme nie auf die Schwachsinnsidee im Auge eines Virensturms mich auf die große Bühne zu stellen und zu behaupten “Ätschbätsch, ihr seid alles Dummuser, selber Schuld und ich weiß es alleine besser; also ich und ein paar Auserwählte.” Um es mal drastisch zu formulieren, diese Attitüde ist der Ursprung desse, dass Linux eben nicht Windows auf dem Desktop bei Normalanwendern das Wasser reichen kann. Und der Weg dahin, dass dies auch nicht unbedingt geschehen wird, lässt sich seit Jahren ganz offensichtlich beobachten.
Dafür fallen mir eine Reihe von Gründen ein.
Erstens die Apostel und insbesondere die Apostel in den Entwicklercommunities, so welche wie der Kommentator: Sie haben den intellektuellen Anspruch, dass der Anwender sich auch mit dem System und allen Dingen darum auseinander setzen muss. Plug and Play ist ja böse und außerdem sind Automatismen per se unsicher. Software kommt also per se fast nie in einen Zustand in dem auch mein Vater sie irgendwie – und sei es unter Schmerzen – benutzen könnte. Es gibt Ausnahmen, aber die sind selten.
Zweitens die Distributoren: Distributionen sind an sich erst mal eine feine Sache, weil sie dann doch demjenigen der nicht jede Konfigurations- Datei bei ihrem Geburtsdatum kennt, den Weg in die Linux Welt ebnen. Nur gibt es davon Hunderte. Nicht wenige versuchen dann mit proprietären Erweiterungen open source konform ein Geschäftsmodell zu entwickeln, weil schließlich will man als Distributor ja Geld verdienen und verwässert damit die Qualitätssicherung der Community bzw. erschwert die Fehlersuche und Hilfe, da vor lauter Foreneinträgen der Normalanwender nicht mehr den Eintrag findet, der ihm hilft und last but not least werden im Rahmen dieser Erweiterungen wieder Security Löcher geschaffen, die Virenschreibern dann durchaus helfen würden.
Drittens die Qualität von Anwendungen: Da ja bei Open Source alles umsonst ist, und man lieber vierzig schlechte Programme ausprobiert um dann ein Anwendungsszenario fallen zu lassen, über das PC Benutzer nur müde lächeln, kauft man eben auf gar keinen Fall irgendeine Software. Was im Wesentlichen dazu führt dass immer weniger Softwareanbieter ihre Codes auch nach Linux transportieren damit dann immer weniger Anwender Linux verwenden und so weiter. Ein Teufelskreis. Spiele sind hier nur ein unrühmliches Beispiel unter vielen. Ich erinnere mich an Loki, die ziemlich viele aktuelle Titel auch mit guter Performance nach Linux portiert haben. Leider pleite, weil man dann doch nicht so konsequent war die Firma zu unterstützen.
Viele der heute angeprangerten Punkte, gerade in Punkto Software – wie Grafiktreiber, Spiele (XCOM2 ein super Beispiel, gerade auf gleichem Newsticker besprochen) Verfügbarkeit, Portierungsqualität und so weiter, waren rund um die Jahrtausendwende erheblich weiter und es zeichnete sich eine breite Unterstützung von Linux ab. Nur hat die Community verschlafen ein Markt zu werden und eben die Unternehmen abgehängt. Es kann ja jeder alles besser und im Zweifelsfall kostenlos. Wie sich zeigt, passiert aber genau das eben nicht, da viele Software Entwickler auch von irgendetwas ihren Hamster füttern wollen, falls mal die Büropizza ausgeht und daher wird für Windows und MAC OS programmiert.
Die Liste ließe sich sicher noch einige Bierlängen lang fort setzen. Aber was soll es, diejenigen die es lesen müssten, lesen diesen Beitrag vermutlich eh nicht und meine geneigte Leserschaft hat ihren Denkanstoß somit erhalten. Ansonsten lasse ich mich gerne auf die entsprechenden Bierlängen einladen.
Bitte nicht falsch verstehen. Ich bin nach wie vor durchaus weit im Open Source Lager verankert und engagiere mich gerne, setze auch immer wieder auf entsprechende Systeme.
Aber die Besserwisser Kommentare, am besten noch ganz oben auf dem Heise News Ticker – die gehen mir erheblich auf den Zeiger, da sie der Sache erheblich mehr schaden als nutzen. Aber das wollen die Kommentatoren vermutlich nicht wahr haben.
Kyp.F.