Musings on IoT/Industrie 4.0

Eben kommt der Artikel “Heute aktuelle Technik, morgen Briefbeschwerer” der Zeit online auf mein Radar. Das ist zwar ein Beispiel aus dem Bereich Smart Home, da aber in Dland gerade auch Industrie 4.0 ein Thema ist und mit dem angloamerikanische Internet of Things in Verbindung gebracht wird, ergeben sich hier doch einige Gedankenspiele.

Wie sieht es eigentlich mit Support von solchen Dingen aus? Wie sehen die Betriebsmodelle aus? Was sind die Gadgets eigentlich wert, und was die Daten und Anwendungen auf den Servern? Welche Hersteller erscheinen hier sinnvolle und vertrauenswürdige Partner?

Nach dem “es” eben noch hip, smart und modern war und mit so aufgeladenen Buzzwords wie Cloud und Software as a Service und ähnlichem aufgeblasen wurde, kommt man bei genauerem hindenken schnell ins schleudern. Was ist denn, wenn ich prompt am 1. Januar in der Kälte sitze, weil in China ein Sack Reis umgefallen ist – um nicht zu schreiben dass die Government Firewall meinen Hausautomatisierer in Richtung Deutschland vom Netz genommen hat? Oder was ist wenn mein Servicetechniker schon im Flugzeug sitzt, weil meine Industrieanlagen in der zugesicherten Fehler früh Erkennung einen Fatalen Zusammenbruch morgen ankündigen, obwohl mein Big Data Algorithmen Provider gerade per DevOps ein Update für seine Analysefunktion eingespielt hat, die als Software as a Service zugekauft wird? Letzteres ist zum Beispiel die ausgewiesene IoT Strategie von Microsoft mit dem Ziel Produkt Hersteller auf ihre Cloud Services zu binden.

Fakt ist, dass hier viele Player auf den Markt drängen, die bestenfalls von Einzelaspekten Ahnung bzw. manchmal sogar nur gute Ideen haben. Das Benchmarking von Lösungsansätzen wird immer wichtiger und dabei spielen Hersteller- Bewertung, Architektur und auch legale Absicherung eine weiter wachsende und in in ihrer Bedeutung nicht zu unterschätzende Rolle. Bei Industrie 4.0 oder Heimautomatisierung reden wir von 20 Jahren und mehr Nutzungsdauer. Welchen Start will ich hier mit Markt- Begleitern und Startups machen, die gerade mal ihre ersten zehn Millionen Risiko- Kapital verbrannt haben?

Fakt ist dass IT- mäßiges Lifecycle Management damit Einzug in Bereiche hält, die im Leben davon noch nichts gehört haben, nämlich produzierende Industrie und Privathaushalte. Umgekehrt werden die einschlägigen IT- Anbieter mit Lebenszyklen konfrontiert, die ihr ITIL ebenfalls noch nicht gesehen hat. Sind bisher Systemlebensdauern von 20 Jahren die Absolute Ausnahme in wenigen hochspezifischen Anwendungsbereichen, die man bisher allenfalls belächelt und mit sündhaft teuren Spezial- Services bedient, so drängt genau diese Aufgabenstellung in den Massenmarkt.

Zu allem Überfluss bedeutet dies nicht nur den reinen Produkt Support der integrierten Gadgets, sondern auch die langfristige Bereitstellung der damit Verbundenen Network Services, der zugrunde liegenden Infrastrukturen und die Bereitstellung der damit verbundenen Datenberge. Bei zwanzig Jahren Nutzungsdauer und dem typischen fünf Jahre Refresh Zyklus der IT buche ich also beim Verbauen eines Smart Home Controller schon vier Infrastruktur Migrationen. Und das bei dem üblichen Overhead mit Release Verwaltung der beteiligten Software Komponenten, bei den sich verändernden Schnittstellen – ja bei vielleicht komplett sich umkrempelnden Betriebskonzepten.

Ob diese Tragweite allen Spielern so klar ist, wage ich zu bezweifeln. Unlängst wurden mir die modernen Erkenntnisse “Der Architektur Ansatz ist tot.” und “Change- Management ist wegen IT-Automatisierung überflüssig.” nahe gebracht. Beide Slogans finde ich grob fahrlässig und deuten für mich eher an, dass diejenigen deren unmittelbarer Erkenntnishorizont sie zu solchen Sprüchen verleitet, überhaupt keine Vorstellung der Tragweite ihrer Aktivitäten haben. Ich kann kein Investitionsgut fertigen, das auf Cloud- Diensten mit einer jährlichen Vertragsbindungs- Frist beruht. Wie soll das gehen?

Ich identifiziere hier einmal folgende Kategorien von Mitspielern:

  • Verbraucher = Kunde, also industrielle Unternehmen, privat Personen, usw..
  • Hersteller von Investitionsgütern, z.B. Sondermaschinenbau
    – deswegen beschäftige ich mich mit dem Thema.
  • Komponenten Hersteller für Investitionsgüter, die FESTOs oder Bosch Rexroths dieser Welt.
  • Klassische IT- Hersteller für z.B. Server, Storage, PC-Systeme, Netzwerkinfrastruktur, … you name it.
  • Software Hersteller für Standard Software wie Datenbanken, Hypervisor, IT- Automatisierungs- Werkzeuge, Monitoring Tools, …
  • IoT Software Anbieter (auch Startups) mit neuen Produkten und Geschäftsmodellen wie Apps, DevOps, Smart Controller, spezifische Sensoren, Gadgets, Human Interaction Devices (Datenbrillen, Eingabegeräte, ….)
  • Service Provider mit verschiedensten Service Modellen – ob Platform- oder Software- as a Service nach NIST.

Alle diese Fraktionen meinen, sie müssten eine Hochglanzbroschüre haben, die etwas zum Internet der Dinge oder der Industrie 4.0 bei trägt. Die meisten rubbeln dabei nur die neuen Buzzwords auf Dinge die ohnehin schon im Portfolio liegen. Manche geben sich Mühe wenigstens noch den Hauch einer Strategie zu formulieren. Tendenziell versuchen trotzdem viele, alten Wein in neuen Schläuchen zu präsentieren, was bei den potentiellen Abnehmern bestenfalls für Verwirrung sorgt.

Das ist jedenfalls mein Fazit nach fast einem Jahr mit Lieferanten- Gesprächen zu diesem Thema.

Eine Vision wie diese Themen zusammen kommen, vermisse ich nahezu aller Orten. Ich sehe nicht einmal ein Verständnis für diese Problematik, geschweige denn integrative Ansätze. Meiner Meinung nach wird jedoch gerade das Thema Architektur von Lösung, Service und Betrieb in diesem Kontext (logisch) explodieren und viele unangenehme Fragen nach sich ziehen. Diese Aufgabe fällt vermutlich den Integratoren zu oder gleich den Endkunden. Das jedenfalls legt o.g. Zeitungsartikel nahe. Damit vererbt also die IT- Industrie ihre Strukturellen Aufgaben und Herangehensweise an die zukünftigen Endkunden in der “schönen neuen digitalisierten Welt” – möglicherweise ohne sich die notwendigen Verpflichtungen zueigen zu machen.

Mein ganz naiver Eindruck ist, dass solche Dinge wie Serviceketten im Kontext Industrie 4.0 komplett neu definiert werden müssen, von Monitoring der selben und Qualitätskriterien dafür ganz zu schweigen. Darüber hat sich augenscheinlich noch niemand Gedanken gemacht. Das ganze in einem hochgradig strukturierten und vergleichsweisen starren Umfeld der Industrie dürfte auch mit den neuen Geschäftsmodellen und dem Hype rund um Apps und DevOps noch einmal richtig interessant werden.

Insofern “lass ich mal langsam kommen”.

Kyp. F.

2 thoughts on “Musings on IoT/Industrie 4.0

  1. Hähä,
    spannende Sache, die ich derzeit aus der gegenüberliegenden Perspektive (ahnungsloser Softwarelieferant) begutachten darf.
    Es vergeht keine Woche, bei dem nicht ein Vertriebs-Demo-Schwein durch die Entwicklungsabteilung gejagt wird. Seiens Bluetooth-Beacons für Lokalisierung und Indoor-Navigation, dann wieder Sensorüberwachung und direktes Einstellen von Fehlermeldungen ins Backend oder gar ein bisschen Augmented Reality für den Servicetechniker, der die Maschine noch nie gesehen hat? Hauptsache es blinkt schön auf der Messe. Die “großen” Anlagen und Maschinenhersteller können darüber nur lächeln – die machen Sachen wie predictive maintenance schon seit 15 Jahren. Cloud ist für mich ein User-Lock-In, bei dem man für ein wenig Komfort wie Bildersynchronisation seine Seele verkauft.
    Der Trick aus unserer Sicht sind natürlich die Wartungsverträge – 20 Jahre Laufzeit für eine App sind natürlich genial fürs finanzielle Grundrauschen.

  2. Der Haken ist doch “wie garantiere ich 20 Jahre Support”. Verkaufen ist ja nur die halbe Miete, aber hinterlegst du Quellcode beim Notar falls die Firma an die Wand fährt – usw.? Ich mein die Kohle nimmt ja freiwillig jeder, aber was wird dafür eigentlich geliefert?

    Ich mein dass irgendetwas blinkt und piepst ist ja nur eine Sache und tatsächlich finde ich gerade im Bereich augmented Reality und Bluetooth/Beacon enabeled interne Logistik zum Beispiel erhebliches Potential. Aber spannend wird das nur wenn der Endabnehmer ein schlüssiges Konzept für mindestens 80% seines Unternehmens hat. Solange da nur isolierte Einzelaspekte bunt gemacht werden, so lange bleibt das eine Luftnummer.

    Gerade da sehe ich aber auch immense Chancen für Berater bzw. deren Unternehmen – auch einmal integrierte Konzepte aus zu arbeiten und an den Start zu bringen.

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