Musings on Huawei Embargo oder “Wie dumm kann man Industrie- Politik eigentlich machen?”

Huawei gehen die Chips aus, titelt aktuell der Spiegel. “Gut” das war abzusehen, obwohl mich ein bisschen wundert, dass es nicht erst im Winter bzw. Frühjahr 2021 der Fall ist. Und der geneigte Hurrapatriot diesseits wie jenseits des Atlantiks stößt ins Horn und jubelt und freut sich dass der Wilde Westen es dem expansionistischen Regime mal wieder so richtig gezeigt hat.

Jetzt kann man China und seiner Politik durchaus sehr skeptisch gegenüber stehen – mit Freunden in Honkong, wovon mir persönlich zumindest drei geblieben sind, geht das sehr gut – und auch finde ich die Genozidösen Aktivitäten in Tibet und bei den Uiguren mindestens hochgradig verwerflich. Allerdings lohnt sich hier in der wirtschaftlichen Hinsicht wirklich ein zweiter Blick.

China bzw. Huawei aus dem 5 G Thema auszusperren ist mindestens dumm, wenn nicht gar unmöglich, da Huawei mit Abstand die meisten Patente an der Technologie hält – 3325 Ende 2019. Und mit ZTE und 2.200 Patenten steht übrigens auf Platz fünf der 5G relevanten Patentliste ein weiteres Chinesisches Unternehmen ganz weit vorne. Ericsson, Qualcomm und Intel kommen erst – im Übrigen in dieser Reihenfolge – danach.

Das kann man doof finden, aber Crosslicensing ist fundamental in den 5G Standard verworben, so dass man ohne Huawei entweder alles noch einmal entwickelt und standardisiert oder sich einfach nicht die Gepflogenheiten internationaler Patentierung und Lizensierung hält – wenn man denn keine Geschäfte zu Lizensierung mit Huawei machen darf oder will. Dann benimmt man sich allerdings genau so, wie es der Westen China gerne vor wirft “und kopiert einfach anderer Leute Technologie”.

Um es klar zu sagen – man kann Huawei nicht aus 5G Netzen aussperren.

Dem zu Grunde liegt nach wie vor die überhebliche Haltung wir hätten den Chinesen gegenüber einen technologischen Vorsprung. Schritt zurück: vielleicht haben wir den an der ein oder anderen Stelle sogar noch. Ein Land mit 1.4 Milliarden Einwohnern und davon werden dieses Jahr wohl 8.74 Millionen Menschen die Univsersitäten mit einem Abschluss verlassen. In Deutschland studieren aktuell überhaupt nur 2.9 Millionen und wie viele davon dieses Jahr den Abschluss erreichen werden steht auf einem anderen Blatt, und dabei sind durchaus noch immer viele Schöngeister, deren Anteil rein Prozentual im fernen Osten sicher geringer ist als Hierzulande.

Dank dem Internet und global verfügbarem Wissen, sind die jungen Chinesen denn auch nicht signifikant schlechter ausgebildet als in den USA oder Deutschland. Wie ich aus eigener Anschauung vor Ort jedoch attestieren darf, von einem deutlich höheren Pragmatismus und mit viel mehr Zielstrebigkeit ausgestattet. Unsere kommunikativen Hürden im direkten Umgang täuschen da durchaus über die Fähigkeiten der Chinesen hinweg, bzw. dokumentieren eine weitere Facette westlicher Arroganz, die mitunter dazu führt auf der Gegenseite auch nicht mehr ernst genommen zu werden.

Diese Fakten sollte man im Hinterkopf behalten wenn man die aktuelle US getriebene Embargowelle bejubelt. China darf keine Mikroprozessoren aus US Produktion wie z.b. Qualcomm oder Intel erwerben, Google und Microsoft werden mit ihren Betriebssystemen ausgesperrt bzw. unter Druck gesetzt und die Trump- Administration setzt sogar anderen Nationen zu um China von notwendiger Basistechnologie wie zum Beispiel Lithographie abzuschneiden.

Jetzt entwickelt ja niemand nur zum Spaß Litographie oder auch Mikroprozessoren. Noch viel weniger stellt sich jemand eine Mikroprozessor Produktion einfach so irgendwo hin – aktuelle Intel Fabs schlagen mit 11 Milliarden zu Buche, ein Sümmchen das refinanziert werden will. Ähnlich dürfte es Qualcom gehen. Asien nimmt über 56% des 83 Milliarden $ Marktes in 2019 ab. Insofern refinanzieren die Chinesen einen mehr als erheblichen Anteil der beträchtlichen Investitionen des Westens und Prozessortechnologie ist bei solchen Summen durchaus ein exklusives Vergnügen.

All diese Aspekte im Hinterkopf, jetzt einmal die aktuelle Situation Revue passieren lassen. Die Trump Administration schneidet einen 15.3 Billiarden Euro Markt von einem 2020 etwa 90.5 Billiarden Euro großen Weltmarkt ab, knappe 17%. Ich kenne kein stark investitionsgetriebenes Unternehmen, das ohne weiteres 17% Einbußen verkraften kann. Die Deutsche Automobilwirtschaft ächzt bei viel kleineren Zahlen und hat deutlich weniger Investitionen als der Hightechmarkt. Die Refinanzierung der Investments und paralell die Vorfinanzierung von Weiterentwicklung bei Intel, Qualcomm und co. dürfte also einen empfindlichen Dämpfer verkraften müssen – Zumal westliche Märkte deutlich gesättigter sind als der auftstrebende Drache.

Erste Anzeichen deuten darauf hin, dass die Chinesische Elite den Westen nicht mehr als zuverlässigen Handelspartner ansieht. Und was hindert das Regime daran mit frisch gedrucktem Geld einige 10.000 junge kreative ehrgeizige Ingenieure an die Entwicklung von Themen wie Lithografie, Prozessortechnologie und Betriebssystemen zu setzen? Im Zweifel schiebt man mehrere Entwicklungen parallel an und entscheidet sich für die beste Lösung – so wie es dazumal in den 60ern IBM bei der Entwicklung der 360 Architektur gemacht hat. Getreu dem agilen Paradigma “Fail Fast“. Alleine der Gründung Huaweis mit ihrem Betriebssystem für Router und Switches sagt man schon ein ähnliches Vorgehen nach. Und dann macht man sich von dem Unzuverlässigen Handelspartner einfach unabhängig.

Zumal in vielen Bereichen auch nicht bei Null angefangen werden müsste. Mikroprozessor Designs sind durch aus auch schon in “open source” Projekten zu finden. Mit RISC-V ist ein entsprechendes auch Leistungsfähiges CPU Model nahezu gebrauchsfertig und selbst wenn es nur als Basis dient, fangen die Chinesen hier nicht bei Null an. Ähnlich ist es in der Betriebssystemwelt mit Linux und ggfs. auch anderen Systemen auf Basis von BSD / Hurd / Mach Mikrokernel oder vielen anderen, die als Grundlage für etwas eigenes dienen können. Basistechnologien wie Lithografie sind dabei vielleicht noch die größte Hürde, aber an dieser ist der ein oder andere Rückschritt zu verkraften und mit Technologie von vor fünf Jahren wertvolles Wissen zu erwerben und dann einfach in weiteren fünf Jahren gleich zu ziehen.

Die aktuelle Embargosituation hat daher ausschließlich den Effekt Druck auf die chinesischen Innovationskräfte so weit zu erhöhen, dass sie in allen für die moderne digitalisierte Welt wesentlichen Kern- Bereichen – Halbleiterfertigung, Prozessortechnologie, Betriebssystem – unabhängige Technologien entwickeln werden. Diese, sind sie einmal etabliert, werden auch wieder in den Westen zurück rollen und hiesige Marktbegleitern weiter Marktanteile und Margen für zukünftige Entwicklung abnehmen. Der Chinesische Markt wird sich Erfahrungsgemäß auf die eigenen Produkte stürzen – wobei wir mit “Madein Germany” vielleicht noch ein ganz kleines As im Ärmel haben.

Im nächsten Schritt kommen dann wieder Volumen und Preis zum Zug, so dass China die Skalenvorteile zu seinen Gunsten nutzen wird und der zerstrittene Westen hier langfristig nur noch im superteuren Premiumexklusiv- Segment sich selbst bedienen darf.

Wenn mich an China und seinen Menschen eines bisher immer wieder beeindruckt hat ist es in welcher Geschwindigkeit sie ihre Produkte, Technologie und Arbeitsweisen modernisieren und den vermeintlichen Vorsprung des Westens erst einholen und dann überholen. Diese Fähigkeit gilt es auf keinen Fall zu unterschätzen. Im Bereich Elektromobilität auf Basis von Rollern und Kleinbussen ist uns China schon heute haushoch überlegen. 5G ist ebenfalls ein reales Beispiel dass China schon vorne liegt.

Der Grundstein dafür, den Westen auch in der Computertechnologie allgemein zu überholen, wird gerade vom gößten Dealmaker aller Zeiten gelegt.

In diesem Sinne. Kyp. F.

p.s. Ein wie ich finde recht ausgewogener Artikel zu dem Thema beim Deutschlandfunk.

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