Open Source @ FAZ – ein Leserbrief

Eben wurde meine Aufmerksamkeit doch noch einmal auf die FAZ und einen interessanten Artikel über Open Source im Maschinenbau gelenkt. Darauf hin habe ich mich zu einem Leserbrief hin reißen lassen, der eigentlich schon eher ein Gastkommentar wäre – und als Brief vermutlich vieeeel zu lang. Meinen geneigten Fans möchte ich das jedoch nicht vorenthalten:

Sehr geehrter Herr Welchering, 

Zunächst einmal vielen Dank für ihren Beitrag und dafür das Thema auch einmal Präsent zu machen. 

Ich würde es jedoch sogar in einen breiteren Kontext stellen wollen. 

Zunächst unterscheiden wir gerne in IT und Produkt IT und ihr Artikel beleuchtet das Thema Produkt IT, dem ich so in allgemeiner Form voll umfänglich zustimme. Entsprechende Tendenzen sehe ich sowohl in unserem Haus als auch bei vielen unserer Zulieferern.

Was das Thema “Konkurrenzfähigkeit des Maschinenbau” und ich möchte hier weiter gehen und das auf viele Deutsche Schwerpunkt Industrien und andere Mittelständisch geprägte Branchen aus dehnen, ist der eigene IT Konsum. Damit meine ich explizit die Bereitstellung interner Dienste wie Business Applikationen, Werkzeuge zu Kollaboration und Kommunikation, Entwicklungswerkzeuge und alle Basisdienste, die eine IT so mit erledigt und welche den Anwendern nur auffallen, wenn sie mal nicht funktionieren. 

Folgt man den gängigen Markttrends zunächst von Lizenzerwerb mit Support über Mietkauf Lizenzen hin zu Cloud- Services, lässt sich in den letzten Jahren ganz klar die Tendenz zur Maximierung des Kostenanteils von Software feststellen. Mit anderen Worten wird auch Wertschöpfung bzw. “Return on Invest” auf die Gesamtheit der IT Güter, die eben auch interne Leistung und Investitionen in Hardware und Infrastruktur umfassen, aus den Unternehmen heraus verlagert – in nicht seltenen Fällen zu den “Großen Amerikanern”. Wohlgemerkt, dabei kommen wir von Kostenschlüsseln in welchen schon Stand heute die Softwareanbieter häufig mehr als 50% des zur internen Verwendung geplanten IT Budgets verbrauchen – und Hardware, über deren Kosten so gerne diskutiert wird weil man sie sehen und anfassen kann, ist meist unter 10%. Den Rest teilen sich Gehälter, externe Beratung und andere Betriebskosten. 

Das ist insofern dramatisch als dass es recht branchenspezifische Schlüssel gibt wie viel Prozent des Umsatzes für interne IT Kosten aufgewendet werden können um konkurrenzfähig bleiben zu können. Damit geht einher, dass der zuvor genannte Effekt eben nicht effektiv durch Budgetsteigerung kompensiert werden kann. Die vollmundig beworbene Produktivitätssteigerungen wären dabei noch zu beweisen und nach all meinen persönlichen Erfahrungen sehe ich dafür nicht das Potential. Ebenso lässt sich der interne Infrastruktur- Aufwand auch nicht beliebig senken – Cloud Services müssen ja auch den Arbeitsplatz erreichen. 

Um den Bogen zurück zu ihrem Thema zu spannen spielt Open Source also nicht nur in unseren Produkten eine stark zunehmende Rolle, sondern wir sind seit Jahren damit beschäftigt Open Source im Bereich Infrastruktur, Basisdienste bis hin zu einzelnen Business Applikationen ein zu setzen, bzw. deren Einsatz zu erproben und weiter zu forcieren. Das ist dabei weder Liebhaberei noch Nerdiness, sondern schlicht und ergreifend ökonomische Notwendigkeit um mit dem im Maschinenbau üblichen 2% IT Budget des Umsatzes unsere strategischen Ziele auch erreichen zu können. 

Ich persönlich und infolgedessen mein Team, beschäftigen uns seit Jahren mit dem Einsatz von Open Source bzw. auch Open Source nahen Produkten in unseren Plattformen, sowohl in der Infrastruktur und Kommunikation, als auch durchaus in Teilen unserer Geschäftsprozesse. Ohne in die Details absteigen zu wollen haben wir hier im Bereich Netzwerk Technologie, Storage Systeme, Service Prozesse, Entwicklung und Kommunikation zahlreiche open Source getriebene Systeme im Einsatz und stellen Services nicht nur innerhalb unserer Gesellschaften sondern auch für andere Gesellschaften unseres Shareholders – mit insgesamt fast 2000 Anwendern zur Verfügung.  Damit rangieren wir weltweit in der Spitzengruppe des Sondermaschinenbau. 

Und vor diesem Hintergrund sehe ich alle Cloud- Dienste, die durch schleichend eingeführte Abhängigkeiten den Kunden mit immer weiteren Workloads aus dem eigenen Haus locken, ausgesprochen skeptisch. Das Schaffen insbesondere von Microsoft und AWS sind hier aus meiner Sicht volkswirtschaftlich nicht mehr vertretbar. Zum Beispiel die Ankündigung Microsofts hier eben einseitig die Preise um ca. 20% kurzfristig an zu heben, ist dafür ein schönes Beispiel. Um in meiner Situation zu bleiben bedeutet das eben Zugriff auf 0.4% des Jahresumsatzes, bei sagen wir mal wünschenswerten 8% EBITDA und vor dem Hintergrund dessen, dass eben auch Abschreibungen und Zinsen durchaus noch im Raum stehen, sprechen wir hier über Einseitigen Zugriff eines einzigen Software Herstellers auf  irgendetwas in der Nähe von 20% unseres Jahresgewinnes? Und das ist an dieser Stelle nur ein Software Hersteller und der nicht mal im Bereich der geschäftskritischen Applikationen.

In diesem Beispiel zieht sich dieses Gebaren im schlimmsten Fall durch komplette Liefer- Ketten. Sollten sich dieser Tendenz nicht die anwendenden Unternehmen entgegen stellen, würde das zwangsläufig in den Endprodukten seinen Niederschlag finden und damit im Portmonnaie jedes einzelnen Verbrauchers. Im konkreten Falle meines Arbeitgebers mit Sicherheit in ihres Autos oder ÖPNV Tickets, sollten sie dem Individualverkehr schon abgeschworen haben, in den Testkosten für ihre COVID Tests, nur um Zwei Geschäftsfelder zu nennen in welchen wir als Hidden Champion so viele Zulieferbetriebe kompletter Branchen bedienen, dass irgendein Teil in komplexen Produkten oder Prozessen sicher von einer unserer Maschinen berührt werden wird. Damit ließe sich diese Strategie der Closed Source Anbieter im Grunde als Selbstbedienungsmentalität an ganzen Volkswirtschaften auslegen, da die Abhängigkeit in Teilen schon nicht  mehr zu vermeiden ist. 

Vor diesem Hintergrund halte ich den Einsatz von Open Source nicht nur für eine ökonomische Notwendigkeit, sondern auch für eine politische Verpflichtung um unsere Volkswirtschaft in ihrer Selbstbestimmtheit zu schützen und den Bürgern und damit zwangsläufig Verbrauchern auch realistische Kosten für die Produkte des täglichen Bedarfes bieten zu können. 

Mit freundlichem Gruß / best regards

& Kyp. F.

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